Bilateral Dialogues: Rome 2007
Benedict XVI – Chrysostom II of Cyprus

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Gemeinsame Erklärung von Papst Benedixt XVI. und seiner Seligkeit Chrysostomos II., Erzbischof von Nea Justiniana und Ganz Zypern

Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel“ (Eph 1,3).

1. Wir, Benedikt XVI., Papst und Bischof von Rom, und Chrysostomos II., Erzbischof von Nea Justiniana und ganz Zypern, danken Gott mit Freude für diese brüderliche Begegnung im gemeinsamen Glauben an den auferstandenen Christus, voller Hoffnung für die Zukunft der Beziehungen zwischen unseren Kirchen. Dieser Besuch hat uns feststellen lassen, dass diese Beziehungen sowohl auf lokaler Ebene als auch im Bereich des theologischen Dialogs zwischen der Katholischen Kirche und der Orthodoxen Kirche als Ganzer gewachsen sind. Zu diesem Dialog hat die Delegation der Kirche von Zypern stets einen positiven Beitrag geleistet, als sie unter anderem 1983 dem Koordinierungsausschuss der Gemischten Internationalen Kommission für den theologischen Dialog Gastfreundschaft gewährte, so dass die katholischen und orthodoxen Mitglieder, außer die anstrengende Vorbereitungsarbeit zu tätigen, die großen künstlerischen und spirituellen Reichtümer der Kirche Zypern besuchen und bewundern konnten.

2. Bei dem glücklichen Anlass unserer brüderlichen Begegnung an den Gräbern der heiligen Petrus und Paulus, der „Koryphäen“ der Apostel, wie sie die liturgische Überlieferung nennt, wollen wir im Gehorsam gegenüber dem Willen unseres Herrn Jesus Christus in gemeinsamer Übereinstimmung unsere aufrichtige und feste Bereitschaft erklären, die Suche nach der vollen Einheit unter allen Christen zu verstärken und hierzu jede uns mögliche und für das Leben unserer Gemeinden für nützlich gehaltene Kraft aufzuwenden. Wir wünschen uns, dass die katholischen und die orthodoxen Gläubigen Zyperns brüderlich und in der vollen Solidarität leben, die auf dem gemeinsamen Glauben an den auferstandenen Christus gründet.

Wir wollen außerdem den theologischen Dialog unterstützen und fördern, der sich durch die zuständige Internationale Kommission anschickt, die schwierigsten Fragen anzugehen, die die Geschichte der Trennung gezeichnet haben. Man muss eine grundsätzliche Vereinbarung zur vollen Gemeinschaft im Glauben, im sakramentalen Leben und in der Ausübung des pastoralen Dienstes erreichen. Diesem Ziel sichern wir unser glühendes Gebet als Bischöfe in der Kirche zu und bitten unsere Gläubigen, sich uns in einer vielstimmigen Anrufung anzuschließen, „dass alle eins seien, damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21).

3. Bei unserer Begegnung haben wir die historischen Umstände betrachtet, unter denen unsere Kirchen leben. Im Besonderen haben wir die Situation der Teilung und der Spannungen untersucht, die seit über dreißig Jahren die Insel Zypern kenn-zeichnen, mit all den tragischen täglichen Problemen, die auch das Leben unserer Gemeinden und der einzelnen Familien belasten. Wir haben weiter die Situation im Nahen Osten erörtert, wo der Krieg und die Gegensätze zwischen den Völkern sich auszuweiten drohen - mit verheerenden Folgen. Wir haben um den Frieden gefleht, „der von oben kommt“. Unsere Kirchen wollen eine Befriedungsrolle in Gerechtigkeit und Solidarität spielen, und damit das alles geschehen kann, ist es unser Wunsch, die brüderlichen Beziehungen unter allen Christen und einen aufrichtigen Dialog zwischen den verschiedenen, in der Region anwesenden und tätigen Religionen zu fördern. Der Glaube an den einen Gott möge den Menschen dieser alten und berühmten Länder helfen, zu einem freundschaftlichen Zusammenleben in gegenseitiger Achtung und in konstruktiver Zusammenarbeit zurückzufinden.

4. Wir richten daher diesen Appell an alle, die, wo auch immer auf der Welt, die Hand gegen die eigenen Brüder erheben, und fordern sie entschlossen auf, die Waffen niederzulegen und darauf hinzuwirken, dass die vom Krieg verursachten Wunden geheilt werden. Wir laden sie darüber hinaus ein, sich dafür einzusetzen, dass die Menschenrechte immer und in jeder Nation verteidigt werden: Die Achtung des Menschen, Ebenbild Gottes, ist in der Tat für alle eine grundlegende Pflicht. So muss unter die zu schützenden Menschenrechte als vorrangig auch das Recht auf Religionsfreiheit gezählt werden. Es nicht zu respektieren, stellt eine sehr schwere Verletzung der Würde des Menschen dar, der im Innersten des Herzens getroffen wird, wo Gott wohnt. Die Kultstätten irgendeiner Religion zu entweihen, zu zerstören und zu plündern, ist daher ein Akt gegen die Menschlichkeit und die Zivilisation der Völker.

5. Wir haben es nicht versäumt, über eine neue Gelegenheit nachzudenken, die sich für einen intensiveren Kontakt und eine konkretere Zusammenarbeit zwischen unseren Kirchen eröffnet. Der Aufbau der Europäischen Union kommt in der Tat voran, und Katholiken und Orthodoxe sind aufgerufen, zur Schaffung eines Klimas der Freundschaft und Zusammenarbeit beizutragen. In einer Zeit der zunehmenden Säkularisierung und des Relativismus sind Katholiken und Orthodoxe in Europa dazu aufgerufen, ein gemeinsames erneuertes Zeugnis der ethischen Werte zu bieten, immer dazu bereit, von ihrem Glauben an Jesus Christus, den Herrn und Retter, Rechenschaft abzulegen. Die Europäische Union, die sich nicht auf eine rein wirtschaftliche Zusammenarbeit beschränken darf, braucht feste kulturelle Grund-lagen, gemeinsame ethische Bezugspunkte und eine Offenheit für die religiöse Dimension. Es gilt, die christlichen Wurzeln Europas, die seine Zivilisation in den Jahrhunderten groß gemacht haben, zu beleben und anzuerkennen, dass die christliche Tradition des Westens und jene des Ostens in diesem Sinn eine gemeinsame wichtige Aufgabe zu erfüllen haben.

6. Bei unserer Begegnung haben wir dann den langen geschichtlichen Weg unserer Kirchen und die große Tradition betrachtet: Sie reicht von der Verkündigung der ersten Jünger, die nach der Verfolgung des Stephanus aus Jerusalem nach Zypern kamen, und über die Fahrt des Paulus entlang der Küsten Zyperns nach Rom, wie die Apostelgeschichte erzählt (vgl. Apg 11,19; 27,4ff.), bis in unsere Tage. Das reiche Glaubenserbe und die feste christliche Tradition unserer Länder müssen Katholiken und Orthodoxe zu einem erneuerten Elan bei der Verkündigung des Evangeliums an unsere Zeit anspornen, um unserer christlichen Berufung treu zu sein und den Erfordernissen der heutigen Welt zu entsprechen.

7. Ernstliche Sorge weckt die Art und Weise, wie mit den Problemen im Bereich der Bioethik umgegangen wird. Es besteht nämlich die Gefahr, dass gewisse Techniken, die in der Absicht konzipiert wurden, berechtigte Bedürfnisse zu erfüllen, im Fall, dass sie auf die Genetik angewandt werden, tatsächlich die Würde des nach Gottes Ebenbild geschaffenen Menschen angreifen. Die Ausbeutung des Menschen, missbräuchliche Versuche und Experimente einer Biogenetik, die die ethischen Werte nicht respektiert, beleidigen das Leben, richten sich gegen die Unverletzlichkeit und Würde jeder menschlichen Person und können und dürfen in keinem Augenblick ihrer Existenz gerechtfertigt oder erlaubt werden.

8. Gleichzeitig veranlassen uns diese ethischen Überlegungen und die gemeinsame Sorge um das menschliche Leben, jene Nationen, die mit Gottes Gnade bedeutende Fortschritte in Wirtschaft und Technologie erreicht haben, zu ermahnen, ihre Brüder in den von Armut, Hunger und Krankheiten betroffenen Ländern nicht zu vergessen. Wir fordern daher die Verantwortlichen der Nationen auf, im Geist der Solidarität mit den Armen und mit allen Notleidenden der Welt eine gerechte Verteilung der Ressourcen der Erde zu unterstützen und zu fördern.

9. Als ebenso übereinstimmend haben sich unsere Sorgen angesichts der Gefahr der Zerstörung der Schöpfung erwiesen. Der Mensch hat sie empfangen, damit er mit ihr den Plan Gottes verwirklichen könne. Dadurch jedoch, dass sich der Mensch selbst zum Zentrum des Universums erhob, den Auftrag Gottes vergaß und sich in eine egoistische Suche nach dem eigenen Wohlergehen zurückzog, hat er die Umwelt, in der er lebt, verwaltet, indem er Entscheidungen traf, die deren Existenz in Gefahr bringen, während sie vonseiten aller, die sie bewohnen, Respekt und Schutz verlangt.

10. Gemeinsam richten wir unser Gebet an den Herrn der Geschichte, dass er das Zeugnis unserer Kirchen stärke, damit die Heilsbotschaft des Evangeliums die jungen Generationen erreiche und zum Licht für alle Menschen werde. Dazu vertrauen wir unsere Wünsche und unsere Bemühungen der Theotokos („Gottesgebärerin“) an, der Muttergottes Odigitria(„Wegweiserin“), die uns den Weg zu unserem Herrn Jesus Christus weist.

Benedict XVI – Chrysostom II of Cyprus