International Dialogue: Bari 1987
Glaube, Sakramente und Einheit der Kirche

Einleitung

(1) Nach unserem Treffen in München 1982 und in Übereinstimmung mit dem Plan, der von unserer Kommission bei ihrem ersten Treffen auf Rhodos 1980 angenommen wurde, hat diese vierte Sitzung der Kommission es unternommen, die Frage nach der Beziehung zwischen Glaube und sakramentaler Gemeinschaft zu betrachten.

(2) Wie es im Plan unseres Dialoges, der auf Rhodos gebilligt wurde, festgehalten wurde, ist die Einheit im Glauben eine Voraussetzung für die Einheit in den Sakramenten und besonders in der heiligen Eucharistie. Aber dieser allgemein anerkannte Grundsatz rückt einige wichtige Punkte ins Licht, die genauere Betrachtung erfordern. Beschränkt sich der Glaube darauf, bestimmten Ausdrücken anzuhängen, oder ist es noch etwas mehr? Der Glaube, der eine göttliche Gabe ist, muss verstanden werden als ein Einsatz des Christen, Einsatz seines Verstandes, seines Herzens und seines Willens. In seiner tiefen Wirklichkeit ist er auch ein kirchliches Geschehen, verwirklicht und vollendet in der und durch die Gemeinschaft der Kirche, in ihrer liturgischen Selbstdarstellung, besonders in der Eucharistie. Dieser kirchliche und liturgische Charakter des Glaubens muss ernsthaft in Betracht gezogen werden.

(3) Aufgrund dieses grundlegenden Charakters des Glaubens muss man sagen, dass der Glaube als vorausgehende Bedingung, die schon in sich selbst vollendet ist, vor der sakramentalen Gemeinschaft betrachtet werden muss, dass er aber durch die sakramentale Gemeinschaft, welche Ausdruck des Lebens der Kirche und Mittel für das geistliche Wachstum jedes ihrer Glieder ist, vermehrt wird. Das muss bedacht werden, damit man das Problem des Glaubens als Bedingung der Einheit nicht auf unzulängliche Weise angeht. Es darf aber nicht die Tatsache verdunkeln, dass der Glaube eine solche Bedingung ist und dass es keine sakramentale Gemeinschaft geben kann ohne Gemeinschaft im Glauben, sowohl im allgemeinen Sinn als auch im Sinn der dogmatischen Formulierung.

(4) Über die Frage nach dem Glauben als Voraussetzung für die sakramentale Gemeinschaft hinaus und in enger Beziehung zu ihr haben wir gemäß dem Plan des Dialoges bei unseren Zusammenkünften ebenfalls die Beziehung zwischen den sogenannten Initiationssakramenten – d. h. der Taufe, der Firmung oder Chrisamsalbung und der Eucharistie – und zwischen ihnen und der Einheit der Kirche untersucht. An dieser Stelle muss man prüfen, ob sich unsere beiden Kirchen nur vor eine unterschiedliche liturgische Praxis gestellt sehen oder auch vor einen Unterschied in der Lehre, da ja die liturgische Praxis und die Lehre miteinander verknüpft sind. Müssen wir diese drei Sakramente als einer einzigen sakramentalen Wirklichkeit zugehörig betrachten oder als drei selbständige sakramentale Akte? Man muss sich auch fragen, ob für die Initiationssakramente ein Unterschied in der liturgischen Praxis zwischen den beiden Traditionen ein Problem unterschiedlicher Lehre aufwirft, welches als ernsthaftes Hindernis für die Einheit betrachtet werden könnte.

I. Glaube und Gemeinschaft in den Sakramenten

(5) Der Glaube ist unauflösbar zugleich Gabe des sich offenbarenden Gottes und Antwort des Menschen, der diese Gabe annimmt. Dies ist das Zusammenwirken der Gnade Gottes und der menschlichen Freiheit. Der Ort dieser Gemeinschaft ist die Kirche. In ihr wird die offenbarte Wahrheit gemäß der Überlieferung der Apostel und auf der Grundlage der Heiligen Schrift durch die ökumenischen Konzile, das liturgische Leben und die Väter der Kirche weitergegeben und durch die Glieder des Leibes Christi in die Tat umgesetzt. Der Glaube der Kirche bildet Norm und Maßstab für den persönlichen Glaubensakt. Der Glaube ist nicht das Ergebnis einer Ausarbeitung und einer logischen Notwendigkeit, sondern der Gnade des Einflusses des Heiligen Geistes. Der Apostel Paulus hat die Gnade „im Glaubensgehorsam“ (Röm 1,5) empfangen. Der heilige Basilius hat darüber gesagt: „Der Glaube geht der Rede über Gott voraus, der Glaube, nicht der Beweis. Der Glaube, der über den logischen Denkverfahren steht, führt zur Zustimmung. Der Glaube entsteht nicht aus geometrischen Notwendigkeiten, sondern durch die Wirkungen des Geistes (zu Ps 115,1).“

(6) Jedes Sakrament setzt den Glauben der Kirche, die es feiert, voraus und drückt ihn aus. Tatsächlich tut die Kirche im Sakrament mehr, als nur ihren Glauben zu bekennen und auszudrücken; sie macht das Geheimnis, das sie feiert, gegenwärtig. Der Heilige Geist offenbart die Kirche als den Leib Christi, den er begründet und wachsen lässt. So ernährt und entwickelt die Kirche durch die Sakramente die Gemeinschaft des Glaubens ihrer Glieder.

1. Der wahrhaftige Glaube ist göttliche Gabe und freie Antwort des Menschen

(7) Der Glaube ist Gabe des Heiligen Geistes. Durch den Glauben gewährt Gott das Heil. Durch ihn hat die Menschheit Zugang zum Geheimnis Christi, welches die Kirche begründet und das die Kirche durch den Heiligen Geist, der in ihr wohnt, mitteilt. Die Kirche kann nur weitergeben, wovon sie selbst lebt. Nun gibt es aber nur ein Geheimnis Christi, und die Gabe Gottes ist einzig, vollständig und ohne Reue (Röm 11,29). Was seinen Inhalt angeht, umfasst der Glaube die gesamte Lehre und Praxis der Kirche, die sich auf das Heil bezieht. Das Dogma, die Lebensweise und das liturgische Leben verbinden sich zu einem einzigen Ganzen und stellen den gesamten Glaubensschatz dar. Der heilige Johannes von Damaskus verbindet auf beachtenswerte Weise den theoretischen und den praktischen Charakter des Glaubens, wenn er sagt: „Dieser (Glaube) wird vervollständigt durch alles, was Christus angeordnet hat, durch die Werke, die Ehrfurcht und die Beobachtung der Gebote Dessen, der uns erneuert hat. Tatsächlich ist, wer nicht gemäß der Überlieferung der Katholischen Kirche glaubt oder wer durch verkehrte Werke mit dem Teufel in Verbindung steht, ein Ungläubiger“ (De fide orthodoxa IV, 10,83).

(8) Von Gott gegeben, wird der Glaube, den die Kirche verkündigt, bekanntgemacht, gelebt und weitergegeben in einer sichtbaren Ortskirche, die in Verbindung steht mit allen über die Erde zerstreuten Ortskirchen, d. h. mit der Katholischen Kirche aller Zeiten und überall. Der Mensch wird in den Leib Christi eingegliedert durch seine Gemeinschaft mit dieser sichtbaren Kirche, die durch ihr sakramentales Leben und das Wort Gottes in ihm diesen Glauben nährt und in der der Heilige Geist in ihm wirkt.

(9) Man kann in diesem Sinn sagen: Die Gabe des Glaubens lebt in der einzigen Kirche in ihrer konkreten geschichtlichen Lage, welche bestimmt ist durch Zeit und Umgebung, also in allen und in jedem Gläubigen unter der Führung ihrer Hirten. Durch die menschliche Sprache hindurch und unter der Verschiedenheit der kulturellen und geschichtlichen Ausdrucksweisen muss der Mensch immer dieser Gabe des Glaubens treu bleiben. Man kann sicher nicht behaupten, dass der Ausdruck des wahren Glaubens, so wie er in der Feier der Sakramente weitergegeben und erlebt wird, die Fülle und den Reichtum des in Jesus Christus offenbarten Geheimnisses ausschöpft. Trotzdem gibt er innerhalb der Grenzen der Formulierung und der Personen, die sie annehmen, Zugang zur vollständigen Wahrheit des offenbarten Glaubens, d.h. zur Fülle des Heiles und des Lebens im Heiligen Geist.

(10) Nach dem Hebräerbrief ist dieser Glaube „ein Feststehen in dem, was man erhofft, ein Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“ (11,1). Er gibt Anteil an den göttlichen Gütern. Man erfasst ihn auch in Ausdrücken existentiellen Vertrauens auf die Macht und die Liebe Gottes in der Annahme der endzeitlichen Verheißung, wie sie in der Person des Herrn Jesus Christus erfüllt sind. Wie aber wiederum der Hebräerbrief zeigt, fordert der Glaube überdies ein Verhalten zum eigenen Lebensbereich und zur Welt. Dieses Verhalten ist bestimmt durch die Bereitschaft, den eigenen Willen zu opfern und das eigene Leben Gott und den anderen hinzugeben, wie Christus es am Kreuz getan hat. Der Glaube verbindet mit dem Zeugnis Christi und mit der „Wolke von Zeugen“ (Hebr 12,1), die die Kirche umhüllen.

(11) Der Glaube schließt also eine bewusste und freie Antwort vonseiten des Menschen und einen ständigen Wandel des Herzens und des Geistes ein. Er ist eine innere Umwandlung und Umgestaltung; er bewirkt, dass man in der Gnade des Heiligen Geistes bleibt, der den Menschen erneuert. Er will die Neuausrichtung auf die Wirklichkeit des kommenden Reiches, welches schon jetzt die Wirklichkeit in dieser Welt umzuformen beginnt.

(12) Der Glaube ist Voraussetzung für die Taufe und für das ganze sakramentale Leben, das darauf folgt. Durch die Taufe gewinnt man tatsächlich Anteil am Tod und an der Auferstehung Jesu Christi (Röm 6); so beginnt ein Werdegang, der sich durch die ganze christliche Existenz fortsetzt.

2. Der liturgische Ausdruck des Glaubens

(13) In der Kirche sind die Sakramente der bevorzugte Ort, wo der Glaube erlebt, weitergegeben und bekannt wird. In der byzantinischen Liturgietradition erbittet das erste Gebet, um jemanden zum Katechumenen zu machen, vom Herrn folgendes für den Taufbewerber: „Erfülle ihn mit Glaube, Hoffnung und Liebe zu dir, damit er begreift, dass du der einzige wahre Gott bist mit deinem einzigen Sohn, unserem Herrn Jesus Christus, und deinem Heiligen Geist.“ Entsprechend lautet die erste Frage, welche die Kirche an einen Taufbewerber richtet, in der lateinischen Liturgietradition so: „Was erbittest du von der Kirche?“ Und der Bewerber antwortet: „Den Glauben!“ – „Was gewährt dir der Glaube?“ – „Das ewige Leben!“

(14) Unsere beiden Kirchen sprechen ihre Überzeugung auf diesem Gebiet gemäß dem Grundsatz aus: „Lex orandi lex credendi“ (Richtschnur des Gebetes ist Richtschnur des Glaubens). Die liturgische Tradition ist für sie also die maßgebliche Auslegung der Offenbarung und so Maßstab für das Bekenntnis des wahren Glaubens. Tatsächlich ist im liturgischen Ausdruck des Glaubens unserer Kirchen das Zeugnis der Väter und der gemeinsam gefeierten ökumenischen Konzilien immerfort für das gläubige Volk der sichere Führer im Glauben. Unabhängig von den verschiedenen theologischen Ausdrucksweisen wird dieses Zeugnis, welches seinerseits das Kerygma der Heiligen Schrift entfaltet, in der liturgischen Feier je neu wirklich. Der verkündete Glaube seinerseits nährt das liturgische Gebet des Gottesvolkes.

3. Der Heilige Geist und die Sakramente

(15) Die Sakramente der Kirche sind „Sakramente des Glaubens“; in ihnen erhört Gott der Vater die Epiklese, in welcher die Kirche durch dieses Gebet und das Kommen des Geistes ihren Glauben ausdrückt. Der Vater gibt darin seinen Heiligen Geist, welcher in die Fülle des Heiles in Christus einführt. Christus selbst bildet die Kirche als seinen Leib. Der Heilige Geist baut die Kirche auf. Es gibt in der Kirche keine Gabe, die nicht ihm zugeschrieben werden könnte (Basilius der Große: PG 30, 239). Die Sakramente sind Gabe und Gnade des Heiligen Geistes in Jesus Christus innerhalb der Kirche. Dies wird sehr knapp in einem orthodoxen Pfingsthymnus so ausgedrückt: „Der Heilige Geist ist Urheber jeder Gabe. Er lässt die Prophezeiungen hervorquellen, und er macht die Priester vollkommen. Er lehrt die Unwissenden Weisheit. Aus Sündern macht er Gottesgelehrte, und er festigt die Einrichtung der Kirche.“

(16) Jedes Sakrament der Kirche verleiht die Gnade des Heiligen Geistes und ist selbst in unauflöslicher Einheit zugleich Zeichen, das an die Taten Gottes in der Vergangenheit erinnert, Zeichen, welches sein Wirken in den Gläubigen und in der Kirche kundmacht, Zeichen, welches die endzeitliche Vollendung ankündigt und vorwegnimmt. So offenbart, erhellt und bekennt die Kirche in der Feier der Sakramente ihren Glauben an die Einheit des göttlichen Heilsplanes.

(17) Man wird beachten, dass alle Sakramente eine Wesensbeziehung zur Eucharistie haben. Sie ist in hervorragender Weise die Verkündigung des Glaubens; von ihr leitet sich jedes Glaubensbekenntnis her, und auf sie ist es hingeordnet. Sie allein tut tatsächlich in der Gegenwart des Herrn, die durch die Kraft des Geistes bewirkt ist, das Wunder des göttlichen

Werkes kund. Denn der Herr lässt sein Werk sakramental in die Feier der Kirche übergehen. Die Sakramente der Kirche vermitteln die Gnade, drücken den Glauben an Jesus Christus aus und kräftigen ihn und sind so Zeugnisse des Glaubens.

4. Der Glaube, der in den Sakramenten ausgesprochen und gefeiert wird: die Glaubensbekenntnisse

(18) In der eucharistischen Versammlung feiert die Kirche im eucharistischen Hochgebet das Ereignis des Heilsgeheimnisses zur Ehre Gottes. Das Geheimnis, das sie feiert, ist dasselbe, das sie bekennt, indem sie die Heilsgabe empfängt.

(19) Obwohl der Inhalt und die Zweckrichtung dieser eucharistischen Feier in den Ortskirchen dieselben geblieben sind, haben diese doch verschiedene Formulierungen und unterschiedliche Sprachen verwendet, welche je nach der Geistesart der verschiedenen Kulturen besondere Gesichtspunkte und Folgerungen des einzigen Heilsereignisses hervortreten lassen. Im Herzen des kirchlichen Lebens bei der Eucharistiefeier kennen unsere beiden Traditionen – die östliche und die westliche – so eine gewisse Verschiedenheit in der Formulierung des gefeierten Glaubensinhalts.

(20) Von Anfang an ist die Erteilung der Taufe an eine Formulierung des Glaubens gebunden, durch welche die Ortskirche dem Katechumenen den wesentlichen Inhalt der Lehre der Apostel vermittelt. Dieses Glaubensbekenntnis spricht in geraffter Form das Wesentliche der apostolischen Überlieferung aus, hauptsächlich durch das Bekenntnis des Glaubens an die Heilige Dreieinigkeit und an die Kirche gegliedert. Alle Ortskirchen, die den wahren Glauben bekennen, vermitteln im Taufritus diesen einzigen Glauben an den Vater, an den Sohn und an den Heiligen Geist. Trotzdem wurde die Formulierung je nach Zeit und Ort, wie es die Umstände erforderten, in unterschiedlicher Weise entfaltet, wobei man Begriffe und Sätze verwendete, die nicht bei allen gleich waren. Aber alle beachteten den Inhalt des Glaubens. Die Kirche des Ostens verwendet in ihrem Taufritual das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel. Getreu ihrer eigenen Überlieferung vermittelt die Kirche des Westens dem Katechumenen das sog. Apostolische Glaubensbekenntnis. Dieser Unterschied der Formulierungen zwischen den Kirchen bedeutet aber in sich keinen Unterschied im vermittelten und gelebten Glaubensinhalt.

5. Die Bedingungen der Glaubensgemeinschaft

(21) Die erste Bedingung für eine wahre Gemeinschaft unter den Kirchen ist die, dass jede Kirche sich auf das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel als auf den notwendigen Maßstab dieser Gemeinschaft der einzigen Kirche bezieht, die über die ganze Erde und durch alle Zeiten hin ausgebreitet ist. In diesem Sinn ist der wahre Glaube Voraussetzung für eine Gemeinschaft in den Sakramenten. Aufgrund dieser gegenseitigen Anerkennung der Identität und der Einzigkeit des Glaubens (wie übrigens auch der des Priestertums und des Sakramentes), wie er in jeder Ortskirche weitergegeben wird, erkennen sie sich gegenseitig als wahre Kirche Gottes an und wird jede(r) Gläubige in einer anderen Kirche als Bruder oder Schwester im Glauben aufgenommen. Aber zugleich wird der Glaube vertieft und erhellt durch die kirchliche Gemeinschaft, wie sie in jeder Gemeinde in den Sakramenten gelebt wird. Diese kirchliche Prägung des Glaubens als Frucht des sakramentalen Lebens verwirklicht sich auf den verschiedenen Ebenen des kirchlichen Lebens.

(22) An erster Stelle verkündigt die Versammlung durch die Feier der Sakramente ihren Glauben, gibt ihn weiter und eignet ihn sich an.

(23) Außerdem bringt jede Ortskirche in der Feier der Sakramente ihr eigenes Wesen zum Ausdruck. Sie ist in ununterbrochener Verbindung mit der Kirche der Apostel und in Gemeinschaft mit allen Kirchen, welche denselben und einzigen Glauben teilen und dieselben Sakramente feiern. In der Feier der Sakramente einer Ortskirche erkennen die übrigen Ortskirchen die Übereinstimmung ihres Glaubens mit ihrem eigenen an und werden dadurch in ihrem eigenen Glaubensleben bestärkt. So bestätigt die Feier der Sakramente die Glaubensgemeinschaft zwischen den Kirchen und macht sie offenbar. Deswegen kann ein Gläubiger, der in einer Ortskirche getauft ist, in einer anderen Ortskirche die Sakramente empfangen. Diese Gemeinschaft in den Sakramenten drückt die Identität und Einzigkeit des wahren Glaubens aus, den die Kirchen teilen.

(24) Bei der eucharistischen Konzelebration von Vertretern der verschiedenen Ortskirchen wird die Identität des Glaubens in besonderer Weise offenbar gemacht und durch die sakramentale Handlung selbst bestärkt. Deswegen sind die Konzile, auf denen die Bischöfe, vom Heiligen Geist geleitet, die Wahrheit des kirchlichen Glaubens aussprechen, immer mit der Feier der Eucharistie verbunden. In der Verkündigung des einzigen Geheimnisses Christi und in der Teilhabe der einzigen sakramentalen Kommunion sind die Bischöfe, der Klerus und das ganze christliche Volk, mit ihnen verbunden, imstande, für den Glauben der Kirche Zeugnis abzulegen.

6. Der wahre Glaube und die Gemeinschaft in den Sakramenten

(25) Die Identität des Glaubens ist also wesentlicher Bestandteil der Kirchengemeinschaft in der Feier der Sakramente. Aber eine gewisse Unterschiedlichkeit der Formulierung gefährdet nicht die Gemeinschaft unter den Ortskirchen, solange jede Kirche unter den verschiedenen Formulierungen den einzigen echten von den Aposteln herkommenden Glauben erkennen kann.

(26) Während der Jahrhunderte der ungeteilten Kirche gefährdeten die unterschiedlichen theologischen Ausdrucksweisen einer einzigen Lehre die sakramentale Gemeinschaft nicht. Nachdem die Spaltung eingetreten war, haben sich Ost und West weiter entwickelt, nun aber getrennt voneinander. Sie hatten also nicht mehr die Möglichkeit, einstimmig Beschlüsse zu fassen, die für beide gültig sind.

(27) Die Kirche als „Säule und Grundfeste der Wahrheit“ (1 Tim 3,25) bewahrt die Glaubenshinterlage rein und unverändert und gibt sie treu an ihre Glieder weiter. Wenn die Echtheit der Lehre oder die Einheit der Kirche durch Irrlehre oder Spaltung bedroht waren, erklärte die Kirche – gestützt auf die Bibel, die lebendige Überlieferung und die Entscheidungen der vorausgegangenen Konzilien – auf einem ökumenischen Konzil den rechten Glauben in verbindlicher und unfehlbarer Weise.

(28) Wenn es unbestreitbar ist, dass die Unterschiede eine Verwerfung früherer Dogmen der Kirche darstellen und nicht nur Unterschiede in der theologischen Ausdrucksweise sind, dann steht man offensichtlich vor einer wirklichen Spaltung im Glauben; dann gibt es keine Möglichkeit mehr zu sakramentaler Gemeinschaft. Denn der Glaube muss durch Worte bekannt werden, die die Wahrheit selbst ausdrücken. Aber das Leben der Kirche kann zu neuen Ausdrucksweisen für den Glauben führen, der „ein für allemal den Heiligen gegeben ist“ (Jud 3), wenn neue geschichtliche und kulturelle Bedürfnisse dies erfordern; Bedingung ist aber der ausdrückliche Wille, nichts am Inhalt der Lehre selbst zu ändern. In solchen Fällen kann die verbale Ausdrucksweise verbindlich werden für die Einmütigkeit im Glauben. Dies setzt aber voraus, dass man Beurteilungsmaßstäbe besitzt, mit denen man unterscheiden kann zwischen legitimen, d. h. vom Geist gewirkten, Entwicklungen und anderen. So ergeben sich folgende Maßstäbe:

(29) Der ungebrochene Zusammenhang der Überlieferung: Die Kirche muss auf neue Probleme angemessene Antworten geben, die sich auf die Schrift gründen und in Übereinstimmung und in Zusammenhang stehen mit den früheren dogmatischen Aussagen.

(30) Die doxologische Bedeutung des Glaubens: Jede liturgische Entwicklung in einer Ortskirche muss von den anderen als in Übereinstimmung mit dem Heilsgeheimnis, wie man es empfangen hat und feiert, verstanden werden.

(31) Die soteriologische Bedeutung des Glaubens: Jeder Ausdruck des Glaubens muss auf die endgültige Bestimmung des Menschen als durch Gnade angenommenes Kind Gottes abzielen, die sich in seiner Vergöttlichung durch den Sieg über den Tod und in der Verklärung der Schöpfung verwirklicht.

(32) Wenn eine Glaubensformulierung dem einen oder dem anderen dieser Kriterien widerspricht, wird sie zu einem Hindernis für die Gemeinschaft. Wenn aber diese oder jene Einzelformulierung des Glaubens keinem dieser Kriterien widerspricht, kann diese Formulierung als ein legitimer Ausdruck des Glaubens betrachtet werden, der die Sakramentengemeinschaft nicht unmöglich macht.

(33) Dies erfordert eine ernsthafte Betrachtung der Theologie der „theologoumena“. Man muss auch klarstellen, welche konkrete Entwicklung, die in einem Teil der Christenheit eingetreten ist, von dem anderen Teil als legitime Entwicklung betrachtet werden könnte. Außerdem muss man berücksichtigen, dass der Sinn der Begriffe im Laufe der Zeit häufig gewechselt hat. Deshalb muss man sich Mühe geben, jede Formulierung gemäß der Absicht ihrer Urheber zu verstehen, um weder fremde Elemente hineinzubringen noch andere Elemente beiseitezulassen, welche für die Denkweise ihrer Urheber selbstverständlich waren.

7. Die Einheit der Kirche im Glauben und in den Sakramenten

(34) In der Kirche besteht die Aufgabe der Amtsträger vor allem darin, die Gemeinschaft im Glauben und in den Sakramenten aufrecht zu erhalten, zu schützen und wachsen zu lassen. Als Verwalter der Sakramente und Lehrer des Glaubens verkündigen die Bischöfe, unterstützt von den übrigen Amtsträgern, den Glauben der Kirche, bringen seinen Inhalt und seine Forderungen für das christliche Leben zum Ausdruck und verteidigen ihn gegen irrige Auslegungen, welche die Wahrheit des Heilsgeheimnisses verfälschen oder gefährden würden.

(35) Die karitativen Tätigkeiten der Amtsträger und ihre Stellungnahmen bezüglich der Probleme einer Epoche und eines gegebenen Milieus können nicht getrennt werden von den beiden Aufgaben der Verkündigung und der Unterweisung im Glauben einerseits und der Feier des Gottesdienstes und der Sakramente andererseits.

(36) So hat die Einheit des Glaubens im Inneren einer Ortskirche und zwischen den Ortskirchen als Garanten und Richter den Bischof, der in Gemeinschaft mit seinem Volk Zeuge der Überlieferung ist. Sie ist von der Einheit des sakramentalen Lebens unabtrennbar. Die Gemeinschaft im Glauben und die Gemeinschaft in den Sakramenten sind nicht zwei unterschiedliche Wirklichkeiten. Sie sind zwei Seiten einer einzigen Wirklichkeit, die der Heilige Geist bei den Gläubigen voranbringt, wachsen lässt und beschützt.

II. Die Sakramente der christlichen Initiation: ihre Beziehung zur Einheit der Kirche

(37) Die christliche Initiation ist ein Ganzes, in dem die Firmsalbung die Taufe vollendet und die Eucharistie beide abschließt. Die Einheit von Taufe, Firmung und Eucharistie in einer einzigen sakramentalen Wirklichkeit bestreitet aber nicht ihre jeweilige Besonderheit. So ist die Taufe im Wasser und im Heiligen Geist die Teilnahme am Tod und an der Auferstehung Christi und die neue Geburt durch die Gnade. Die Firmung ist die Gabe des Heiligen Geistes, die als persönliches Geschenk dem Getauften verliehen wird. Die Eucharistie verleiht, wenn sie unter den erforderlichen Bedingungen empfangen wird, durch die Gemeinschaft mit Leib und Blut des Herrn Teilhabe am Reich Gottes, schließt die Sündenvergebung ein, die Gemeinschaft mit dem göttlichen Leben selbst und die Zugehörigkeit zur Gemeinde der Endzeit.

(38) Die Geschichte der Taufriten in Ost und West wie auch die Ausdeutung der Riten durch unsere Väter zeigen klar, dass die Initiationssakramente eine Einheit bilden. Diese Einheit wird von der Orthodoxen Kirche sehr stark betont. Auch die Katholische Kirche hält an ihr fest. So erklärt das neue römische Rituale für die Initiation, dass „die drei Sakramente der christlichen Initiation so eng miteinander verbunden sind, dass sie die Gläubigen voll dazu befähigen, durch den Heiligen Geist die Sendung zu erfüllen, die jeder Versammlung des christlichen Volkes in der Welt zukommt.“

(39) Das Modell der Erteilung der Sakramente, das sich sehr früh in der Kirche entwickelt hat, zeigt klar, wie sie die verschiedenen Schritte der Initiation verstanden hat, dass sie nämlich theologisch und liturgisch die Eingliederung in Christus dadurch vollziehen, dass jemand in die Kirche eintritt und innerhalb dieser Kirche durch die Teilhabe an Leib und Blut Christi in ihm wächst. Dies alles wird bewirkt durch denselben Heiligen Geist, der den Gläubigen zum Glied am Leib des Herrn macht.

(40) Dieses alte Modell umschloss folgende Bestandteile:

(41) 1. für die Erwachsenen einen Zeitraum geistlicher Erprobung und Unterweisung, in dem die Katechumenen für ihre endgültige Eingliederung in die Kirche geformt wurden;

(42) 2. die Taufe durch den Bischof, der von Priestern und Diakonen umgeben war, oder Taufe durch die Priester, die von den Diakonen unterstützt wurden, wobei ein Glaubensbekenntnis, verschiedene Fürbitten und liturgische Akte vorausgingen;

(43) 3. die Firmung oder Salbung, im Westen durch den Bischof, im Osten, wenn der Bischof abwesend war, durch den Priester, durch Handauflegung oder Salbung mit heiligem Chrisam oder durch beides;

(44) 4. die Feier der heiligen Eucharistie, während derer die neu Getauften und Gefirmten zur vollen Teilnahme am Leib Christi zugelassen wurden.

(45) Diese drei Sakramente wurden im Verlauf einer einzigen zusammengesetzten liturgischen Feier erteilt. Es folgte eine Zeit weiterer katechetischer und geistlicher Reifung durch Unterweisung und häufige Teilnahme an der Eucharistie.

(46) Dieses Modell bleibt das Ideal für beide Kirchen, weil es am besten der Weise entspricht, wie sich die ersten christlichen Kirchen, die in voller Gemeinschaft miteinander lebten, die biblische und apostolische Überlieferung angeeignet haben.

(47) Die Kindertaufe, die von Anfang an geübt wurde, wurde in der Kirche das am meisten übliche Verfahren für die Einführung neuer Christen in das volle Leben der Kirche. Andererseits traten im Blick auf die geistlichen Bedürfnisse der Gläubigen in der liturgischen Praxis gewisse örtliche Veränderungen ein. Diese Veränderungen haben aber das theologische Verständnis der tiefgreifenden Einheit des ganzen Verfahrens der christlichen Initiation im Heiligen Geist nicht betroffen.

(48) Im Osten hat man die zeitliche Einheit der liturgischen Feier der drei Sakramente beibehalten und unterstreicht so die Einheit des Wirkens des Heiligen Geistes und die Fülle der Eingliederung des Kindes in das sakramentale Leben der Kirche. Im Westen hat man es oft vorgezogen, die Firmung aufzuschieben, um den Kontakt des Getauften mit dem Bischof aufrecht zu erhalten. So wurden die Priester üblicherweise nicht zur Firmspendung ermächtigt.

(49) Die wesentlichen Lehrpunkte über die Taufe, über die sich die beiden Kirchen einig sind, sind folgende:

1. die Heilsnotwendigkeit der Taufe;

2. die Wirkungen der Taufe, insbesondere das neue Leben in Christus und die Befreiung von der Erbsünde;

3. die Eingliederung in die Kirche durch die Taufe;

4. die Beziehung der Taufe zum Geheimnis der Dreieinigkeit;

5. die wesentliche Verbindung zwischen Taufe und Tod und Auferstehung des Herrn;

6. die Rolle des Heiligen Geistes bei der Taufe;

7. die Notwendigkeit des Wassers, welches die Taufe als das Bad der Wiedergeburt kennzeichnet.

(50) Andererseits gibt es zwischen den beiden Kirchen bezüglich der Taufe Meinungsverschiedenheiten:

1. die Tatsache, dass die Katholische Kirche, obwohl sie die grundsätzliche Bedeutung der Taufe durch Eintauchen anerkennt, die Taufe doch üblicherweise durch Übergießen vollzieht;

2. die Tatsache, dass in der Katholischen Kirche ein Diakon ordentlicher Spender der Taufe sein kann.

(51) Darüber hinaus hat sich aus seelsorgerlichen Gründen, z. B. um die Firmungskandidaten an der Schwelle zum Erwachsenwerden besser vorzubereiten, in einigen lateinischen Kirchen der Brauch ausgebreitet, zur ersten Kommunion Getaufte zuzulassen, die noch nicht die Firmung empfangen haben; trotzdem wurden die disziplinären Anweisungen, die an die traditionelle Reihenfolge der Sakramente der christlichen Initiation erinnern, niemals außer Kraft gesetzt. Diese Umstellung, die sowohl bei den Orthodoxen als auch bei den römischen Katholiken verständliche Widerstände und Bedenken hervorruft, fordert eine vertiefte theologische und pastorale Überlegung, denn die pastorale Praxis darf nie den Sinn der ursprünglichen Überlieferung und ihre Bedeutung für die Lehre vergessen. Man muss andererseits hier daran erinnern, dass auf die Taufe, wenn sie nach Beginn des Vernunftgebrauchs erteilt wird, in der lateinischen Kirche jetzt immer die Firmung und die Teilnahme an der Eucharistie folgt.

(52) Zur gleichen Zeit sind beide Kirchen darum besorgt, für die Neophyten die geistliche Formung im Glauben zu sichern. Deshalb legen sie Wert darauf, folgendes zu unterstreichen: einerseits gibt es ein notwendiges Band zwischen dem souveränen Handeln des Geistes, der durch die drei Sakramente die volle Eingliederung in das Leben der Kirche bewirkt, und der Antwort des Getauften und der Glaubensgemeinschaft; andererseits ist die volle Erleuchtung im Glauben erst möglich, wenn der Neophyt, welches sein Alter auch sein mag, alle drei Sakramente der christlichen Initiation empfangen hat.

(53) Zum Schluss sei in Erinnerung gerufen, dass das 879/80 gemeinsam durch die beiden Kirchen gefeierte Konzil von Konstantinopel festgesetzt hat, jeder (Patriarchal-)Sitz solle die alten Gewohnheiten seiner Überlieferung beibehalten, die Kirche von Rom ihre eigenen Gewohnheiten, die Kirche von Konstantinopel die ihrigen, ebenso die orientalischen Throne (vgl. Mansi XVII, 489 b).

Glaube, Sakramente und Einheit der Kirche