Unofficial Dialogues: Graz 2018
Im Dienst an der Gemeinschaft. Eine Studie des Gemeinsamen orthodox-katholischen Arbeitskreises St. Irenäus

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I. Einleitung

Das Verhältnis von Primat und Synodalität steht seit mehr als einem Jahrzehnt im Fokus des theologischen Dialogs zwischen Katholiken und Orthodoxen. Spätestens seit der Veröffentlichung des Dokuments der Gemeinsamen Kommission für den theologischen Dialog zwischen der Orthodoxen Kirche und der Römisch-katholischen Kirche zum Thema „Ekklesiologische und kanonische Konsequenzen der sakramentalen Natur der Kirche. Kirchliche Communio, Konziliarität und Autorität“ (Ravenna 2007) kreiste die ekklesiologische Debatte zwischen katholischen und orthodoxen Theologen* um die Frage, wie Primat und Synodalität – beide Begriffe stehen in Korrelation – auf verschiedenen Ebenen, nämlich der lokalen, der regionalen und der universalen, ausgeübt werden. Das jüngste Dokument der Kommission „Synodalität und Primat im ersten Jahrtausend. Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Verständnis im Dienst der Einheit der Kirche“ (Chieti 2016) nahm einige dieser Aspekte wieder auf, ist aber auch nur ein Schritt auf dem Weg zu einem gemeinsamen Verständnis des Verhältnisses von Primat und Synodalität.

Dennoch ist die Frage nach dem Verhältnis von Primat und Synodalität nicht neu. Sie spiegelt sich ansatzweise im theologischen und ekklesiologischen Austausch des ersten Jahrtausends wider. Im zweiten Jahrtausend beeinflusste sie die Diskussionen zwischen östlichen und westlichen Theologen, die oft von Polemik geprägt waren. Seit der Trennung haben Katholiken und Orthodoxe unterschiedliche Formen der Ausübung von Autorität, individuelle wie auch kollegiale, entwickelt. Das hat jeweils zu einseitigen Ansätzen in Lehre und Praxis geführt. Gleichwohl ist das Verhältnis zwischen der Gemeinschaft der Bischöfe und ihrem Ersten nicht statisch: Die unterschiedlichen Formen der Primatsausübung in der katholischen Kirche nach dem Ersten Vatikanischen Konzil (1869-70) zeigen, dass dieselbe Vorstellung des Primats sehr verschieden realisiert werden kann, während in der orthodoxen Kirche die Zusammenarbeit des Ersthierarchen und der Ortsbischöfe alles andere als homogen ist. Zudem konzentrierte sich der Dialog zwischen unseren Kirchen bis jetzt auf Primat und Synodalität als Kategorien, die vor allem für die kirchliche Hierarchie verwendet werden. Es ist aber auch notwendig, über sie im umfassenderen Rahmen des Volkes Gottes und seiner vielfältigen Charismen nachzudenken.

Das Verhältnis von Primat und Synodalität neu zu denken, ist daher nicht nur eine Aufgabe für den orthodox-katholischen Dialog, sondern stellen auch eine Herausforderung für innerkirchliche Debatten dar, wie die Bischofssynoden der katholischen Kirche in Rom (2015 und 2016) und das orthodoxe Konzil in Kreta (2016) gezeigt haben. Vor diesem Hintergrund legt der Gemeinsame orthodox-katholische Arbeitskreis St. Irenäus diese Studie vor – in der Hoffnung, damit neue Impulse für Nachdenken über das Verhältnis von Primat und Synodalität geben zu können.

Selbstverständnis und Zielsetzung des Irenäuskreises

Der Gemeinsame orthodox-katholische Arbeitskreis St. Irenäus wurde im Jahr 2004 in Paderborn (Deutschland) gegründet – zu einer Zeit, als der offizielle internationale Dialog zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche in einer schwierigen Phase war. Der Gruppe gehören je dreizehn orthodoxe und katholische Theologen aus verschiedenen Ländern (derzeit aus Argentinien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Libanon, Malta, Niederlande, Österreich, Rumänien, Russland, Serbien, Ukraine und den Vereinigten Staaten) an. Die Mitglieder des Arbeitskreises werden nicht als Delegierte von ihren Kirchen ernannt, sondern aufgrund ihrer theologischen Kompetenz in den Arbeitskreis berufen. Der Irenäuskreis ist daher keine offizielle Dialogkommission, sondern versteht sich als inoffizieller Gesprächskreis von Experten, der allerdings in der Intention zusammenkommt, den orthodox-katholischen Dialog auf internationaler Ebene zu fördern.

Als eine internationale Gruppe von großer sprachlicher und kultureller Vielfalt sehen es die Mitglieder des Irenäus-Arbeitskreises als ihre Aufgabe an, die bestehenden Unterschiede in den Mentalitäten und der kirchlichen Praxis, aber auch in den Denkformen und der Art, Theologie zu treiben, zu untersuchen. Sie versuchen, die gegenwärtigen Probleme zu verstehen und auszuloten, wie beide Kirchen in einem „Austausch von Gaben“1 einander bereichern können. Sie hoffen, dass sie auf diese Weise in ihren jeweiligen Kirchen das gegenseitige Verständnis fördern können, und verpflichten sich dabei zu persönlichem Engagement.

Die Methode unserer gemeinsamen Studie

Das vorliegende Dokument ist die Frucht der gemeinsamen Arbeit der Mitglieder des Irenäuskreises über mehrere Jahre. Diese Arbeit bestand vor allem in der Untersuchung eines breiten Spektrums von hermeneutischen, historischen und systematischen Fragestellungen in Form von Vorträgen, Koreferaten und in der Formulierung von gemeinsamen Thesen. Wir sind überzeugt, dass die noch ungelösten Fragen zwischen der katholischen und orthodoxen Kirche nur durch ein Zusammenspiel von Hermeneutik, Geschichte und Systematik erfolgreich gemeistert werden können. Wir sind uns dabei bewusst, dass auch unsere Studie zwangsläufig Begrenzungen unterliegt, besonders in ihrem historischen Teil.

Dieses Dokument legt nach dem eben genannten dreifachen Raster Erwägungen in Form von sechzehn Grundthesen vor. Zu jeder Grundthese gibt es Erläuterungen, die darauf zielen, das Hauptanliegen durch Beispiele zu veranschaulichen sowie Begriffe zu erklären, Entwicklungen aufzuzeigen und offene Fragen zu formulieren. Das vorliegende Dokument ist von dem Bestreben inspiriert, einen gemeinsamen Ansatz für das Verhältnis von Primat und Synodalität und eine gemeinsame Beschreibung im Blick auf Divergenzen zu bieten.

II. Hermeneutische Reflexionen

1. Die Bedeutung der Hermeneutik für den ökumenischen Dialog

Grundthese: Die Entwicklung der Hermeneutik hat es dauerhaft zu einer Aufgabe der Theologie gemacht, die geschichtliche Dimension und den soziokulturellen Kontext von Konzepten zu berücksichtigen. Jeder Diskurs findet in einem historischen Umfeld statt und wird durch soziale und kulturelle Faktoren bedingt. Daher muss jeder theologische Dialog die sprachlichen Unterschiede, die Denkweisen und die spezifischen Akzente jeder Tradition berücksichtigen. In unserem Bemühen, das gegenseitige Verständnis zu vertiefen, müssen wir Ausdrucksformen der Vergangenheit in ihren historischen Kontext stellen und vermeiden, sie anachronistisch zu lesen. So kann man der ursprünglichen Intention von Aussagen näher kommen und deren bleibenden Wert herausarbeiten. Das erfordert ein ständiges Überdenken der verschiedenen Traditionen, die ihrerseits den Reichtum des Glaubens ausdrücken und sich nicht notwendigerweise gegenseitig ausschließen.

1.1 Hermeneutik bezieht sich auf Auslegung. Das Christentum ist als unbedingt hermeneutisch zu beschreiben, insofern es eine angemessene Interpretation der biblischen Texte (vgl. Röm 7,6 und 2 Petr 3,16) sowie der Glaubensbekenntnisse, der patristischen Schriften und anderer Ausdrucksformen des christlichen Glaubens erfordert. Insbesondere das kritische Studium der Bibel stellte traditionelle Herangehensweisen an die Heilige Schrift infrage und eröffnete sowohl Orthodoxen als auch Katholiken neue Horizonte.

1.2 Orthodoxe und Katholiken glauben, dass die Heilige Schrift innerhalb der Tradition interpretiert werden muss, die somit als hermeneutischer Schlüssel dient. Dieser hermeneutische Zugang konkretisiert sich in der Liturgie, im geistlichen Leben und in der Diakonie. Die hermeneutische Dimension unseres Dialoges beinhaltet das Bemühen, gemeinsam die vielfältigen Ausdrucksweisen der Tradition zu interpretieren. Wir sind davon überzeugt, dass das Verständnis der Tradition darauf beruht nachzuvollziehen, wie jeder Dialogpartner ihre verschiedenen Komponenten gewichtet.

1.3 Vollständige Objektivität kann nicht erreicht werden, weil jede Interpretation historisch bedingt ist. Ein kritisches Bewusstsein kann dennoch Vorurteile und unterdrückte Ressentiments offenbaren, die zu unzutreffenden Interpretationen führen. Zum Beispiel macht die hermeneutische Reflexion über den im 20. Jahrhundert vollzogenen Wechsel von einer hierarchisch-orientierten und exklusivistischen Ekklesiologie zu einer Ekklesiologie der Gemeinschaft (vgl. Kapitel 11 und 12) es einfacher, anachronistische Aspekte vergangener Kontroversen aufzudecken und zu vermeiden sowie die nicht-theologischen Faktoren in ihnen zu erkennen.

1.4 Der Gedanke der Rezeption ist von fundamentaler Bedeutung für den ökumenischen Dialog. Rezeption sollte das Prinzip berücksichtigen, dass das Ganze und seine Teile sich gegenseitig interpretieren. Es ist zum Beispiel wichtig, dass die Erklärungen des Ersten Vatikanischen Konzils zu Primat und Infallibilität, die noch ein Hindernis im orthodox-katholischen Dialog bilden, in das Ganze der Ekklesiologie und der Tradition der katholischen Kirche integriert werden, vor allem im Licht des Zweiten Vatikanischen Konzils (vgl. §§ 11.10 – 11.11). Auf orthodoxer Seite wird heute weitgehend akzeptiert, dass die eucharistische Ekklesiologie dazu beiträgt, die Ekklesiologie der Alten Kirche zu verstehen.

1.5 Die Frage, wie wir heute mit unseren jeweiligen Identitäten umgehen, verlangt weitere Klärung, da diese sich im Laufe der Geschichte merklich verändert haben, manchmal sogar bis zur Unkenntlichkeit verdunkelt wurden. Dabei muss auch berücksichtigt werden, welches Bild wir voneinander haben, und ob dieses Bild der Selbstwahrnehmung unserer Gesprächspartner entspricht.

2. Hermeneutik der theologischen Sprache

Grundthese: Im Dialog verwenden wir oft Begriffe, die in unseren jeweiligen Traditionen verschiedene Bedeutungen haben. Im Laufe der Geschichte hat sich das Verständnis dieser Begriffe verändert. Sie haben oft eine mehrschichtige Bedeutung und werden von verschiedenen Adressaten immer wieder unterschiedlich gedeutet. Dementsprechend erfordert der Dialog zwischen Orthodoxen und Katholiken ausreichende Klarheit darüber, was mit bestimmten Begriffen gemeint ist. Wenn zudem die Begriffe in eine andere Sprache übersetzt werden, können sie unterschiedliche Konnotationen vermitteln.

2.1 Unsere theologischen Überlegungen haben von der ökumenischen Erfahrung profitiert, die verschiedene Formen des christlichen Denkens miteinander ins Gespräch gebracht hat. Diese wiederum haben sich im Laufe der Zeit in verschiedene Richtungen entwickelt. Dieser Ansatz erleichtert die Verständigung zwischen verschiedenen theologischen Denkformen und hilft, vorhandene Antagonismen und Widersprüche zu überwinden, sofern sie auf Missverständnisse und Irrtümer im Verständnis der verschiedenen Begriffe zurückzuführen sind. Die Klärung der besonderen Denkform ist eine der wichtigsten Aufgaben im ökumenischen Dialog.

2.2 Unterschiedlichen theologischen Begriffen und ihrer Rezeption liegen oft kulturelle und historische Unterschiede zugrunde. Übersetzungen von griechischen Begriffen in die lateinische Sprache und umgekehrt waren zwangsläufig auch Übertragungen in einen anderen Kulturraum mit anderen theologischen Prioritäten. Dies führte zu unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen, wie zum Beispiel die verschiedenen Nuancen der Begriffe mysterion und sacramentum oder protos und primus zeigen. Das Problem der Übersetzung betrifft auch die modernen Sprachen, in denen beispielsweise der Begriff „Unfehlbarkeit“ in verschiedenen Sprachen mit unterschiedlichen Konnotationen übersetzt wird (z.B. „Sündlosigkeit“ im Russischen, „Fehlerfreiheit“ im Griechischen).

2.3 Um einer besseren Verständigung willen müssen wir beachten, dass dieselben Worte manchmal verschiedene Sachverhalte beschreiben. Begriffe, die von beiden Seiten verwendet werden, aber unterschiedliche Realitäten bezeichnen, sei es im Laufe der Geschichte oder in einer bestimmten Epoche, müssen klar definiert werden. Das gilt gerade auch für gängige kirchliche Begriffe wie Katholizität, Primat, Synodalität, Kollegialität und Konziliarität. Der Begriff Sobornost kann heute z.B. im Sinne von Katholizität und Konziliarität verstanden werden, ist aber stark durch den philosophischen und theologischen Kontext im Russland des 19. und 20. Jahrhunderts geprägt. In ähnlicher Weise muss man sich davor hüten, das Konzept des Primats im Sinne einer Zentralisierung oder das Konzept der Synodalität im Sinne einer Dezentralisierung zu verstehen.

2.4 Es wäre insbesondere hilfreich, gemeinsam ein Glossar zu erarbeiten, das ekklesiologische Schlüsselbegriffe definiert und auf verschiedene Nuancen in der Bedeutung aufmerksam macht, wenn ein Begriff auf Griechisch oder Lateinisch formuliert ist, z.B. die vom Ersten Vatikanischen Konzil verwendeten Begriffe potestas immediata und plenitudo potestatis oder die griechischen Begriffe presbeia tēs timēs und taxis.

3. Dogmenhermeneutik

Grundthese: Eine Hermeneutik der Dogmen macht darauf aufmerksam, dass man zwischen der Formulierung eines Dogmas (dem „Gesagten“) und seiner Aussageabsicht (dem „Gemeinten“) unterscheiden muss. Obwohl Dogmen verbindliche Lehraussagen der Kirche sind, sind sie historisch bedingt, insofern sie in einem konkreten Kontext und in einer bestimmten Sprache auf spezifische theologische oder pastorale Herausforderungen reagieren. Daher sind dogmatische Formulierungen sowohl formal als auch inhaltlich begrenzt, weil sie niemals ein erschöpfender Ausdruck dessen sind, was sie bezeugen und auszulegen versuchen. Damit entsprechen sie dem apophatischen Wesen der Theologie, die das Mysterium Gottes und seines Wirkens nur annähernd wahrnehmen und artikulieren kann.

3.1 Die Kirche hat nie den Versuch unternommen, ihren Glauben vollständig und in allen Einzelheiten zu formulieren. Dogmen sind vielmehr als Abgrenzungen (horoi) zu verstehen, zu denen sich die Kirche genötigt fühlte, wenn Wahrheitsfragen angefochten wurden, um den in ihrem Schoß bewahrten Schatz des Glaubens besser schützen zu können. Dabei waren sich viele Theologen bewusst, dass die Offenbarungsinhalte unvergleichlich größer sind als das menschliche Fassungsvermögen und daher jene Begriffe übersteigen, die sie zu beschreiben versuchen. Mit den Worten des hl. Maximus des Bekenners (ca. 580-662) ausgedrückt: „Das große Geheimnis der göttlichen Menschwerdung bleibt immer ein Geheimnis“.2

3.2 Dogmatische Formulierungen setzen immer einen bestimmten Verständnishorizont voraus und sind in einen Interpretationszusammenhang eingebettet. Deshalb sind Dogmen nicht allein von ihrem Wortlaut her zu verstehen, sondern müssen vor dem Hintergrund ihrer Entstehungssituation und Aussageabsicht erschlossen werden (vgl. §§ 10.1 – 10.9). Die konsequente Durchführung dieses methodischen Ansatzes im ökumenischen Dialog erwies sich als äußerst fruchtbar und hat gezeigt, dass man sich über die Sache als solche einig werden kann, auch wenn man manchmal unterschiedliche Begriffe verwendet. Auf diese Weise haben die jüngsten Dialoge zwischen den chalcedonischen und nichtchalcedonischen Kirchen gezeigt, dass beide Seiten unterschiedliche Begriffe und Konzepte benutzt haben, um den im Wesentlichen gleichen christologischen Glauben auszudrücken.3

3.3 Obwohl die orthodoxe und die katholische Kirche vielleicht nicht immer ein gemeinsames Verständnis von Lehre haben, unterscheiden beide Tradition auf je spezifische Weise zwischen Dogmen, allgemein anerkannten Lehren und unverbindlichen theologischen Meinungen. Darüber hinaus spricht das Zweite Vatikanische Konzil von einer „Hierarchie der Wahrheiten“4um zu erklären, wie die Lehren sich auf die Grundlage des christlichen Glaubens beziehen – eine Vorstellung, die in gewissem Maß den Ideen einiger orthodoxer Theologen wie z.B. Vasilij V. Bolotov (1854-1900) entspricht. Durch eine Vertiefung der gemeinsamen Reflexion über das Wesen von Lehraussagen kann man hoffentlich dazu beitragen, Schwierigkeiten bei der Bewertung von Lehren zu überwinden, an denen nur eine Tradition festhält.

3.4 Es ist Aufgabe der Dogmenhermeneutik, die je unterschiedliche Formulierung und Entfaltung (anaptyxis)5 des apostolischen Erbes im Laufe der Geschichte unter Berücksichtigung des jeweiligen Kontextes zu beurteilen und zu erkennen, inwieweit solche neuen Formulierungen legitime Ausdrucksweisen des Glaubens sind, wie er in den Quellen artikuliert wird.

3.5 Die hermeneutische Arbeit über das kirchliche Glaubensgut und über dogmatische Aussagen kann zu neuen Einsichten führen. Diese Einsichten sind insofern wichtig, als sie sich auf das Heil der Menschen beziehen. Folglich umfasst die hermeneutische Arbeit an Dogmen nicht nur die Theorie, sondern kann auch dazu beitragen, das kirchliche Leben und die Praxis zu beurteilen.

4. Hermeneutik der Kanones

Grundthese: Die kirchlichen Kanones sind oft angewandte Ekklesiologie. Wie die Dogmen müssen sie in ihrem jeweiligen Kontext ausgelegt werden. Auf katholischer und orthodoxer Seite gibt es verschiedene Zugänge zum Kirchenrecht und ein unterschiedliches Verständnis der Verbindung zwischen Kirchenrecht, kirchlicher Lehre und Praxis. Somit bedarf es einer vertieften Diskussion über die Hermeneutik der Kanones – sowohl innerhalb der jeweiligen Kirche als auch zwischen Orthodoxen und Katholiken. Die veränderte Situation der Kirche im dritten Jahrtausend erfordert weitere Überlegungen darüber, wie die altkirchlichen Kanones in einer globalisierten Welt angewendet werden können.

4.1 Wenn wir unsere Trennung und die Möglichkeit, sie zu überwinden, betrachten, sollten wir die kanonische Dimension berücksichtigen. Das Kirchenrecht hat oft einen stärkeren Einfluss auf das kirchliche Leben als die Dogmen. Doch selbst im ersten Jahrtausend stimmten die kanonischen Ideale nicht immer mit der historischen Realität überein. So wurden Bischöfe von einer Stadt in eine andere versetzt, obwohl Kanon 15 des Ersten Konzils von Nizäa das verbietet. Im zweiten Jahrtausend verstanden die orthodoxe und die katholische Kirche die Kanones auf verschiedene Weise und wandten sie auch unterschiedlich an. Während sich die Orthodoxen meist auf Kommentare zu bereits bestehenden Kanones beschränkten und neue kanonische Regeln nur auf der Ebene der Ortskirchen formulierten, entwickelten die Katholiken ein kodifiziertes System des Kirchenrechts, das sich teilweise unabhängig von der Ekklesiologie entwickelte.

4.2 Ein Grund für die Entfremdung zwischen Ost und West war der Verlust einer gemeinsamen Mentalität im Umgang mit den Kanones. Zum Beispiel strebte Kaiser Justinian II. mit Hilfe der Kanones der zweiten Trullanischen Synode (691-92), die auch als Quinisextum bezeichnet wird, u.a. danach, die kanonische Praxis Roms mit der von Konstantinopel in Einklang zu bringen, ohne die langjährige eigene Tradition Roms zu berücksichtigen. Die sogenannten „anti-römischen Kanones“6 waren jedoch nicht durch Feindseligkeit gegenüber Rom motiviert, sondern suchten das Ideal der Uniformität innerhalb eines Reiches wiederherzustellen. Auf der anderen Seite war die Gregorianische Reform in Rom einer der Faktoren, die zu einer zunehmend juridischen Auffassung des Primats führte, indem sie die Rolle des Bischofs von Rom überbetonte, was den Byzantinern vollkommen unverständlich war (vgl. § 8.4).

4.3 Den Kanones kommt in der orthodoxen Kirche im Allgemeinen großes theologisches Gewicht zu; dennoch werden zumindest einige von ihnen aufgrund veränderter historischer Umstände in der heutigen Welt gerne als irrelevant abgetan. Angesichts der Notwendigkeit, die Kanones heute in der Orthodoxie anzuwenden, könnte man von einer „Hierarchie der Kanones“ sprechen, insofern nicht alle Kanones von gleicher Bedeutung sind. Nikolaj Afanas’ev (1893-1966) sprach von der bleibenden Botschaft der Kanones: „Die grundlegende dogmatische Wahrheit der Kanones kann nicht geändert werden, nur die Konkretisierung und Anwendung in einem Kanon kann durch die historisch existierende Kirche verändert werden.“7

4.4 Für die katholische Kirche ist das jetzt geltende Kirchenrecht der Codex iuris canonici von 1983 (für die lateinische Kirche) und der Codex canonum ecclesiarum orientalium von 1990 (für die katholischen Ostkirchen). Die Kanones der Ökumenischen Konzile dienen jetzt noch als fontes, d.h. als Quellen, aus denen das geltende Kirchenrecht schöpft; Kanon 4 von Nizäa I (325), der besagt, dass bei einer Bischofsweihe mindestens drei Bischöfe anwesend sein müssen, ist noch gültig.8Außerdem wurden gewisse altkirchliche Kanones in die derzeitige liturgische Praxis übernommen, z.B. Kanon 20 von Nizäa I (325) hinsichtlich der gonyklisia, d.h. des Nicht-Knien-Sollens in der Osterzeit oder an Sonntagen. Diese Regel wird noch immer von den Katholiken des byzantinischen Ritus befolgt.

5. Die Bedeutung der nichttheologischen Faktoren

Grundthese: Die Trennung zwischen unseren Kirchen hatte nicht nur theologische Gründe, sondern auch politische, soziale, kulturelle, psychologische und andere Dimensionen. Vor allem politische und kulturelle Faktoren haben die Entwicklung der kirchlichen Strukturen in Ost und West stark beeinflusst. Bei der Untersuchung der Ursachen und Folgen von Kirchenspaltungen muss daher die Rolle dieser Faktoren berücksichtigt und theologisch bewertet werden. Das erfordert insbesondere einen multidisziplinären Ansatz, der auch diese Aspekte berücksichtigt, die zwar wenig dogmatische Relevanz haben, aber dennoch die ekklesiologische Praxis der Kirchen beeinflussen. Solche Faktoren tragen immer noch zu den Schwierigkeiten im offiziellen theologischen Dialog zwischen unseren Kirchen bei.

5.1 Die Kirche ist nicht nur göttlich, sondern auch menschlich. Deshalb kann sie nicht nur mit theologischen Begriffen im engeren Sinn beschrieben werden, sondern auch mit soziologischen und anderen Begriffen. Genauer gesagt musste die Kirche im Laufe der Geschichte immer neue Aufgabenbereiche übernehmen, die neue Organisationsstrukturen erforderten. Da der sozio-politische Kontext im Westen und Osten verschieden war, entwickelten sich unterschiedliche ekklesiologische Modelle, die als Antwort auf die Herausforderungen der jeweiligen Epoche verstanden werden müssen. Ihre theologische Interpretation und kanonische Bestimmung erfolgten oft erst im Nachhinein und müssen als jeweils historisch begrenzte Erklärungen gesehen werden.

5.2 Man darf weder die Modelle der Vergangenheit idealisieren, indem man spätere Strukturen auf frühere Zeiten projiziert, noch die Vergangenheit völlig ablehnen, indem man alles in ihr als irrelevant ansieht für die Gegenwart, wenn nicht gar nachteilig für den Fortschritt. Um das zu erreichen, können die vielfältigen Methoden von Geistes- und Sozialwissenschaften wie Soziologie, Anthropologie und Psychologie sehr nützlich sein. Außerdem müssen theologische und nichttheologische Faktoren ausgewogen zueinander in Beziehung gesetzt und einseitige Standpunkte vermieden werden. Dabei darf die eigene konfessionelle Perspektive die wissenschaftliche Arbeit über die Kirchen- und Dogmengeschichte nicht übermäßig dominieren (vgl. § 6.3).

5.3 Im orthodox-katholischen Dialog gibt es eine starke Tendenz, das erste Jahrtausend zu idealisieren. Dennoch hat es in den 506 Jahren zwischen 337 und 843 insgesamt 217 Jahre der Spaltung zwischen Rom und Konstantinopel9gegeben, so dass man nicht einfach von einer „ungeteilten“ Kirche des ersten Jahrtausends sprechen kann. Trotzdem kann die Erfahrung des ersten Jahrtausends sehr inspirierend sein, um die Gemeinschaft zwischen unseren Kirchen wiederherzustellen (vgl. Kapitel 7).

5.4 Die Kirchen in Ost und West waren, wenn auch in unterschiedlicher Weise und in verschiedenem Ausmaß, oft mit der Versuchung konfrontiert, kirchliche Leitung mit weltlicher Macht und ihren Institutionen zu vermischen. Zuweilen wurde der Kirche vom Staat ein bestimmtes Modell aufgezwungen (vgl. §§ 9.8 und 10.2). Bestimmte Herausforderungen wie z.B. die Ausübung weltlicher Macht, die Tendenz zur Zentralisierung oder Dezentralisierung oder auch die starke Betonung der nationalen Identität, können sowohl im Osten als auch im Westen beobachtet werden. Sie haben oft die primatiale Autorität zu Lasten synodaler Strukturen verstärkt. Obwohl die Synodalität zeitweise stark in den Hintergrund trat, war sie als theologisches Prinzip im Bewusstsein der Kirche niemals völlig vergessen. Synodale Strukturen waren in der einen oder anderen Form immer im Leben der Kirche präsent.

5.5 Primatiale und synodale Formen haben sich über die Jahrhunderte hinweg entwickelt. Sie werden sich und sollten sich auch weiterhin ändern, um sich auf neue Entwicklungen wie Globalisierung, geopolitische Veränderungen und neue politische Machtstrukturen einzustellen, ohne sich dem Geist dieser Welt anzupassen (vgl. Röm 12,2). Das bedeutet ein ständiges Bemühen, kirchliche Strukturen zu reformieren und zu erneuern, in Treue zur grundlegenden Identität der Kirche als dem Leib Christi und im Gehorsam zu ihrer Sendung unter der Führung des Heiligen Geistes.

6. Die Bedeutung der Geschichte für die Theologie

Grundthese: Der christliche Glaube ist ohne Bezug zur Geschichte undenkbar, weil die Offenbarung Gottes in Jesus Christus zu einem konkreten Zeitpunkt in der Geschichte stattgefunden hat. Der Sohn Gottes hat als Jesus von Nazareth eine menschliche Geschichte. Gottes Heilshandeln an den Menschen ereignet sich nicht unabhängig von Zeit und Raum, sondern inmitten der menschlichen Geschichte. Daher sind das Selbstverständnis, die Theologie und die Verkündigung der Kirche auch von der Geschichte geprägt. Es bedarf kirchengeschichtlicher Forschungen, um die Rolle von historischen, sozialen und kulturellen Faktoren in der Entwicklung der Theologie besser zu verstehen, vor allem wenn es sich um kirchentrennende Faktoren handelt. Gemeinsame Forschungen und eine daraus resultierende gemeinsame Darstellung der Geschichte können einen Rahmen für das Verständnis umstrittener theologischer Fragen bieten.

6.1 Die Kirchengeschichte beschäftigt sich mit allgemeinen und besonderen Tendenzen im Christentum. Dazu gehören Untersuchungen über das kirchliche Leben in seinen dogmatischen, bekenntnisgebundenen, liturgischen, kanonischen, geistlichen und ethischen Dimensionen. Zudem nutzt die Kirchengeschichte vielfach dieselben Methoden und Quellen wie andere historische Disziplinen, oft in engem Austausch mit ihnen.

6.2 Das Fach Kirchengeschichte hat erhebliche theologische Bedeutung. Es wirft Fragen nach Tradition, Kontinuität und Wandel in der Kirche, nach ihren Strukturen und ihrer Theologie auf und ermöglicht eine kritische Aufarbeitung des Gedächtnisses der Kirche. Historische Forschung kann auch dazu beitragen, zwischen den Fällen zu unterscheiden, in denen Christen dem Evangelium treu geblieben sind, und solchen, in denen sie es, bewusst oder unbewusst, verfälscht haben. Kirchengeschichte leistet auf diese Weise einen unverzichtbaren Beitrag zu einer verantwortlichen Ekklesiologie.

6.3 Kirchengeschichtliche Forschungen dürfen nicht der Versuchung erliegen, die Geschichte der eigenen Kirche und Nation zu rechtfertigen, sondern sollten sich darum bemühen, sich kritisch mit der eigenen Tradition auseinanderzusetzen und im Blick auf andere Traditionen deren Selbstverständnis zu berücksichtigen. Von Theologen wird erwartet, dass sie unbefangen und vorurteilsfrei untersuchen, was Lehren und Praktiken des Dialogpartners bedeuten, um auf diese Weise einen authentischen Dialog im Geist der Liebe und Wahrheit zu fördern.

6.4 Eine hermeneutisch ausgewogene Erforschung der Geschichte der Kirche und der Theologie hat in jüngster Zeit zu einer differenzierteren Sicht umstrittener kirchentrennender Fragen geführt. Konkrete Beispiele dafür sind die Aufarbeitung der christologischen Kontroversen über die Beschlüsse der Konzile von Ephesus 431 und Chalcedon 451 (vgl. § 3.2), die neuere Einschätzung der Krise von 1054 (vgl. § 8.3), die Erklärung zwischen Katholiken und Lutheranern über Grundaussagen der Rechtfertigungslehre10 (1999) oder die gemeinsame Darstellung der Geschichte der Reformation im Dokument der Internationalen katholisch-lutherischen Dialogkommission11 aus dem Jahr 2013. Diese Beispiele zeigen, dass es möglich ist, Geschichte über konfessionelle Trennlinien hinweg zu beschreiben.

6.5 Eine gemeinsame Beschreibung der Geschichte, wie sie in der vorliegenden Studie versucht wird, ist von wesentlicher Bedeutung für die Heilung der Erinnerungen. Für die Mitglieder des Gemeinsamen orthodox-katholischen Arbeitskreises St. Irenäus ist ein solcher Prozess eine unentbehrliche Voraussetzung für die Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft zwischen ihren Kirchen.

III. Historische Beobachtungen

7. Die Zeit der Alten Kirche (1. – 8. Jahrhundert)

Grundthese: In der Zeit vor dem ersten Konzil von Nizäa (325) entwickelten sich kirchliche Strukturen: Monepiskopat, eine dreistufige Hierarchie und lokale Konzile; außerdem wurde der Kanon der Heiligen Schrift angenommen. Der vornizänischen Epoche kommt daher bis heute maßgebliche Bedeutung für die Ekklesiologie zu. Die damaligen Streitfragen (z.B. Osterdatum, Wiedertaufe der Häretiker und Schismatiker) und ihre Lösungsversuche bieten uns bis heute hilfreiche Einsichten über den Umgang mit Unterschieden innerhalb der Kirche. In der Epoche der ökumenischen Konzile (4.-8. Jahrhundert) wird die Kirche zur Reichskirche und orientiert sich in einem gewissen Umfang an staatlichen Strukturen. Das hatte Auswirkungen auf den Prozess der Entscheidungsfindung innerhalb der Kirche. Der Kaiser spielte eine entscheidende Rolle bei der Einberufung ökumenischer Konzile und der Durchsetzung ihrer Beschlüsse. In der Regel stand in jeder Provinz der Bischof der Provinzhauptstadt der Bischofssynode sowie der Wahl von Bischöfen und ihrer Weihe vor. In dieser Zeit spielten die fünf alten Patriarchate, die als „Pentarchie“ bezeichnet wurden, eine bedeutende Rolle, vor allem im Osten. Der Bischof von Rom hatte eine wichtige Funktion, aber seine Vorrechte wurden im Osten und Westen unterschiedlich interpretiert. In dieser Epoche standen Primat und Synodalität in einer kreativen Spannung zueinander. Obwohl in Ost und West unterschiedlich verstanden, erweist sich die wechselseitige Beziehung von Primat und Synodalität als ein tragfähiges Modell, das uns auf dem Weg zur Wiederherstellung der Einheit der Kirche inspirieren kann.

7.1 In den ersten Jahrhunderten des Christentums entsteht eine Reihe verschiedener Formen des Primats oder der „Leitung“: der Primat eines einzigen Bischofs in der lokalen Kirche – in der Regel eine Stadt mit ihrer Umgebung – war um die Mitte des 3. Jahrhunderts allgemein akzeptiert; der Primat des Bischofs einer größeren (Haupt-)Stadt unter den Bischöfen einer bestimmten Provinz; und später der Primat des Bischofs in einem größeren Ballungszentrum (Rom, Alexandrien, Antiochien, Konstantinopel, eine Zeit lang auch andere Städte wie Karthago, Thessaloniki, Mailand und Ravenna) unter den Kirchen einer politischen „Diözese“ oder einer Region des Reiches (seit der Zeit der Reformen Diokletians). In einem längeren Prozess, der um die Mitte des 5. Jahrhunderts begann (vgl. § 7.8), erhielten einige von ihnen (einschließlich Jerusalem als Pilgerzentrum) die Bezeichnung „Patriarchat“. Der Metropolitan- und Patriarchalprimat wurde durch den Vorsitz auf lokalen und regionalen Synoden sowie die Weihe von Bischöfen auf lokaler oder regionaler Ebene ausgeübt und diente als Berufungsinstanz in Fällen, die Bischöfe betrafen und die zuvor schon auf lokaler Ebene behandelt worden waren.

7.2 Roms Ruhm als der Ort, an dem Petrus und Paulus gewirkt hatten, das Martyrium erlitten und begraben worden waren, begründete von Anfang an ein beispielloses Prestige für die Stadt, ohne zu bestreiten, dass der Weg die beiden Apostel dorthin geführt hat, weil es die Hauptstadt des Reiches war. Ignatius von Antiochien beschrieb die Kirche von Rom als eine, die „den Vorsitz in der Liebe führt“ (prokathēmenē tēs agapēs). Roms Ansehen wird durch den ersten Brief von Papst Clemens an die Korinther veranschaulicht, der – nach dem Zeugnis des Bischofs Dionysius von Korinth (ca. 170) – jedes Jahr in der sonntäglichen Liturgie in Korinth verlesen wurde.12 Bis zum Ende des 2. Jahrhunderts war der Ruf Roms so weit gewachsen, dass der Versuch seines Bischofs Viktor I., die Quartodezimaner zu exkommunizieren, weil sie Ostern getrennt von den anderen feierten, aller vermittelnden Fähigkeiten von Polykrates von Ephesus und Irenäus von Lyon bedurfte, um dies abzuwenden. Eine Inschrift auf dem Grabmal von Abercius, dem Bischof von Hieropolis in Phrygien (vor 216), lautet, dass „der keusche Hirte mich nach Rom schickte, um ein Königreich zu erblicken und eine Königin zu sehen, die ein goldenes Kleid und Schuhe aus Gold trägt“13. Cyprian (+ 258) bezeichnete Rom als die Kirche, „aus der das ganze Priestertum stammt“14 und prägte den Ausdruck „cathedra Petri“15, auf der jedoch alle Bischöfe sitzen, wodurch die Interdependenz des Bischofs von Rom und der andern Bischöfe als einem Kollegium hervorgehoben wird. Die Kanones von Sardica (343) sicherten den Bischöfen das Recht, an Rom zu appellieren (vgl. § 7.3). Dem Konzept „Roma locuta, causa finita“, das Augustinus16 zugeschrieben wird, folgten die Bischöfe von Karthago nicht im Fall des Presbyters Apiarius, der zweimal von ihnen verurteilt und zweimal von Rom freigesprochen wurde, bis er endgültig von einer Synode in Karthago (418) verurteilt wurde, die einem einfachen Priester unter Androhung der Exkommunikation verbot, an Rom zu appellieren. Die wichtigste Anerkennung Roms kam von dem bedeutendsten byzantinischen Theologen des 7. Jahrhunderts, Maximus dem Bekenner, der „die heiligste römische Kirche“ im Kontext des Monotheletismus-Streits nicht nur die erste unter allen Kirchen nannte, die über die Macht zu binden und zu lösen verfüge17, sondern der auch beteuerte, dass alle Christen zu dieser Kirche als einer „Sonne des ewigen Lichts“18 aufblicken sollten.

7.3 Einer der bedeutenderen, aber auch umstrittenen Versuche, im 4. Jahrhundert ein neues allgemeines Konzil abzuhalten, war das Konzil von Sardica (oder Serdica, heute: Sofia), das von Kaiser Constantius II. im Jahr 343 in der Hoffnung einberufen wurde, die sich vertiefende Kluft bezüglich der Rezeption des Glaubensbekenntnisses von Nizäa zu heilen. Aus Angst, dass sie von den lateinisch sprechenden Bischöfen im Westen dominiert würden, die den im Exil lebenden Athanasius rehabilitieren wollten, lehnten die griechischen Bischöfe es schließlich ab, zu einem allgemeinen Konzil zusammenzukommen und gingen stattdessen nach Philippopolis in Thrakien (heute Plovdiv). Das westliche Konzil erließ eine Reihe von Kanones zur Struktur und Disziplin der Kirche. Kanon 3 der griechischen Sammlung bekräftigt das Recht jedes Bischofs, der von seiner Provinzialsynode abgesetzt worden war, an den Bischof von Rom zu appellieren, der anordnen konnte, dass ein neues Gerichtsverfahren abgehalten wird. Obwohl das Konzil von Sardica zunächst im Osten nicht anerkannt wurde, wurde dieser Kanon 3 später in Kanon 2 der zweiten Trullanischen Synode (Quinisextum, 691-92) aufgenommen, das von den Orthodoxen als eine Fortsetzung des 5. und 6. Ökumenischen Konzils angesehen wird. Durch ihre Rezeption auf dem Quinisextum wurden die Kanones von Sardica zu einem integralen Bestandteil des Kirchenrechts der Orthodoxen Kirche. Tatsächlich kam es im ersten Jahrtausend zu wiederholten Appellen an den römischen Bischof in dogmatischen und praktischen Angelegenheiten wie im Fall von Johannes Chrysostomos (+ 407), Kyrill von Alexandrien (+ 444) und Theodor dem Studiten (+ 826). Im zweiten Jahrtausend erkannte der berühmte byzantinische Kanonist Theodor Balsamon (ca. 1120-98) in seinem Kommentar zu Kanon 3 von Sardica das Appellationsrecht an den römischen Papst an, wandte es allerdings auf den Patriarchen von Konstantinopel an.19

7.4 In den letzten Jahren haben zahlreiche orthodoxe und katholische Theologen auf den Apostolischen Kanon 34verwiesen, der zu einer größeren Sammlung von liturgischen und disziplinarischen Regeln aus der Kirche von Antiochien gehört, die auf das 4. Jahrhundert zurückgeht. Er gilt als ein Modell für das komplexe Zusammenspiel primatialer und kollegialer Leitung, das die Ausübung von Autorität in der Kirche am besten beschreibt. Die „Apostolischen Kanones“ sind das Werk eines oder mehrerer unbekannter Autoren um etwa 300 und wurden in verschiedenen orientalischen Sprachen (syrisch, koptisch, äthiopisch und arabisch) überliefert. Sie erlangten zudem aufgrund der Tatsache, dass Dionysius Exiguus (+ vor 556) sie in seine Sammlung der Kanones aufgenommen hat, auch Autorität im Westen. Kanon 34, wahrscheinlich von den Redaktoren der Apostolischen Konstitutionen verfasst, deren letzter Teil die achtzig Apostolischen Kanones bilden, steht für die weit verbreitete Sorge um das Gleichgewicht in der bischöflichen Leitung, von der die letzten Jahrzehnte der trinitarischen Kontroverse im 4. Jahrhundert geprägt waren. Er legt fest, dass „die Bischöfe jeden Volkes (ethnos)“ – vermutlich ist damit jede politische Provinz gemeint – die Autorität desjenigen anerkennen sollten, „der den ersten Platz unter ihnen einnimmt“ – ihren Metropolitanbischof – und „nichts Wichtiges (perittos) ohne seine Zustimmung (gnome) tun“ sollten, aber dass auch er nichts tun sollte „ohne die Zustimmung aller“. Im Mittelpunkt des Wirkens eines jeden Bischofs, betont der Kanon, sollte nur das stehen, was sich auf seine Ortskirche (paroikia) bezieht. Wie auch die übrigen Apostolischen Kanones wurde Kanon 34 bis vor kurzem von Theologen kaum zitiert. Offenbar abhängig von Kanon 7 von Nizäa (325) und Kanon 9 der Synode von Antiochien (341) spiegelt er die anhaltende Sorge der Kirche des 4. Jahrhunderts in den östlichen Provinzen wider, die Vorherrschaft von mächtigen Kirchenführern in Lehre und Jurisdiktion zu verhindern, die vielfach der theologischen Polarisierung des 4. Jahrhunderts zugrunde lag.

7.5 Die Rolle des Bischofs von Rom muss innerhalb der verschiedenen Einflussbereiche gesehen werden, in denen er effektive Entscheidungen traf und die kirchliche Tradition artikulierte. In Mittelitalien war er verständlicherweise Metropolitanbischof der alten Hauptstadt, berief lokale Synoden ein und führte dabei den Vorsitz. In Italia Suburbicaria, das Mittel- und Süditalien, Sizilien, Korsika und Sardinien umfasste, übte er eine suprametropolitane oder – gemäß des späteren Sprachgebrauchs – patriarchale Autorität aus. Im 4. Jahrhundert dehnte sich dieser Einflussbereich, vor allem als Reaktion auf die Krise der Arianer, allmählich über den ganzen lateinisch-sprechenden westlichen Teil des Reiches aus – westlich des Rheins, südlich des Mains und der Donau, im Osten bis Thessaloniki und im Norden bis Schottland. Hier waren die Bischöfe von Rom gelegentlich auf regionalen Synoden vertreten; es wurde erwartet, dass sie über deren Dekrete informiert wurden und dass im Fall von umstrittenen lokalen Beschlüssen an sie appelliert werden konnte. Nach Papst Damasus (366-84) begannen die Bischöfe von Rom, Lehr- und Disziplinarfragen, die in verschiedenen Kirchen des lateinischen Westens aufgetaucht waren und ihnen zur Lösung vorgelegt wurden, in der Form von Reskripten zu entscheiden.

7.6 In den Ostkirchen war die Rolle der Bischöfe von Rom weniger klar definiert, nahm aber während der großen Lehrstreitigkeiten im 4. und 5. Jahrhundert an Bedeutung zu. Im Jahr 404 appellierte Johannes Chrysostomos an Papst Innozenz I., Venerius von Mailand und Chromatius von Aquileia, um bei seinen Auseinandersetzungen in Konstantinopel Unterstützung zu erhalten. Im Vorfeld des Konzils von Ephesus (431) sicherte sich Kyrill von Alexandrien die Unterstützung von Papst Coelestin I. in seiner Auseinandersetzung mit Nestorius von Konstantinopel. Flavian von Konstantinopel und Theodoret von Kyros appellierten 449 mit starken Worten an Papst Leo I., damit er die christologischen und administrativen Entscheidungen der Synode von Ephesus aus demselben Jahr aufgrund seiner „apostolischen Autorität“ aufhebe. Die römischen Bischöfe wurden in dieser Epoche, vor allem in Zeiten von Spannungen und Trennungen unter den Ortskirchen, immer mehr als hervorragende Verteidiger der apostolischen Tradition angesehen, kraft ihrer Stellung als Bischöfe von Rom. Bezeichnend für diese Tatsache ist, dass das Konzil von Chalcedon (451) Papst Leo als die Stimme von Petrus anerkannte: „Petrus hat durch Leo gesprochen“. Dennoch achtete das Konzil auch darauf, die Übereinstimmung von Leo und Kyrill zu betonen: „Fromm und wahrhaftig lehrte Leo, so wie Kyrill lehrte“.

7.7 Die wichtige Rolle des Bischofs von Rom bei der Entwicklung der Lehre wurde in den Schriften bedeutender Hierarchen wie Leo I. und Gregor der Große nicht als Konkurrenz zur Autorität der lokalen und regionalen Bischöfe oder Synoden in der westlichen Kirche angesehen, sondern vielmehr als Stärkung, Bekanntmachung und Regelung ihrer Arbeit. Sowohl Leo als auch Gregor forderten die Metropoliten des Westens häufig auf sicherzustellen, dass die lokalen und regionalen Synoden sich regelmäßig trafen und dem kanonischen Verfahren folgten; Gregor hielt alle fünf Jahre eine Synode der Bischöfe aus ganz Italia Suburbicaria (vgl. § 7.5) in Rom ab. Beide sahen die Aufgabe lokaler und regionaler Synoden darin, ein verbindliches Urteil in Disziplinar- und Lehrfragen abzugeben; ihre eigene Funktion bestand darin, über diese Entscheidungen informiert zu werden, sie zu bestätigen und nur in den Fällen einzugreifen, in denen die lokalen Autoritäten keine klare Lösung erreichen konnten. Leo, der sich persönlich stark mit Petrus identifizierte20), 324-329., sah seine eigene Rolle vor allem darin, Glaube und Praxis der Apostel deutlich zu verkünden, die in allen Kirchen seit apostolischer Zeit akzeptiert waren. In Krisenzeiten war es die Aufgabe der regionalen und ökumenischen Konzile, diesen Glauben eindeutig zu definieren; die Rolle des Papstes war es, „zu offenbaren, was du weißt, und zu verkünden, was du glaubst“.21 So schrieb Leo an die Bischöfe einer lokalen Synode in Chalcedon (453), dass er „unter Gottes Beistand ein Wächter des katholischen Glaubens und der väterlichen Anordnungen“22 sei. Es war nicht seine Aufgabe, seine eigenen Überzeugungen darzulegen, sondern den apostolischen Glauben sicherzustellen.

7.8 Von Anfang an ging der Osten die Frage des kirchlichen Primats aus dem Blickwinkel des Verhältnisses zwischen den großen Sitzen an. Rom erhielt durchweg den Vorrang vor solchen Sitzen wie Alexandrien und Antiochien, wurde aber im Osten nicht in erster Linie als ein Sitz mit besonderer Autorität in allen Angelegenheiten betrachtet. Die Kanones von Nizäa sehen die Provinz, die vom Bischof der Hauptstadt geleitet wird, als Norm an, erkennen aber die Tatsache an und billigen sie, dass die Sitze von Rom, Alexandrien und Antiochien zusätzliche Befugnisse und Vorrechte erhalten haben. Nizäa räumt auch Jerusalem, wiederum auf der Basis der Gewohnheit, einen Ehrenplatz nach diesen wichtigen Sitzen ein. Rom und Alexandrien werden allgemein als die Hauptsitze des Westens beziehungsweise des Ostens anerkannt – z.B. in dem Dekret Cunctos populos (380) von Theodosius. Eine große Veränderung folgt auf die Gründung von Konstantinopel als dem Neuen Rom, der Hauptstadt des aufstrebenden christlichen Reiches. Das Zweite Ökumenische Konzil (381) erhebt Konstantinopel aus politischen Gründen an die zweite Stelle nach Rom, eine Aufwertung, die von Rom und Alexandrien verübelt und abgelehnt wird. Chalcedon geht darüber hinaus, indem es Konstantinopel weitere Privilegien gewährt und seinen Status als gleichwertig mit Rom definiert – außer im Blick auf den Rang – wiederum aus politischen Gründen. Mit der Loslösung von Jerusalem aus der Autorität von Caesarea Maritima ist das System der Pentarchie (der Vorrang der fünf alten Patriarchate) im Grundsatz voll und ganz ausgebildet. Die Pentarchie wird durch die Gesetzgebung Justinians sowie das Konzil in Trullo weiter bestätigt. Nichtsdestoweniger wurde das Funktionieren dieses Modells der Pentarchie durch das chalcedonische Schisma untergraben, das Alexandrien und Antiochien besonders hart traf. Die arabische Eroberung schwächte die Pentarchie noch weiter und reduzierte drastisch die Fähigkeit der Sitze von Antiochien, Alexandrien und Jerusalem, ein Gegengewicht zu Rom und Konstantinopel zu bilden. Schon im 8. Jahrhundert war deutlich, dass sich die Pentarchie praktisch in eine Dyarchie von Rom und Konstantinopel aufgelöst hatte. Die daraus resultierende Spaltung zwischen Ost und West war in gewissem Maß das Ergebnis des Aufkommens von Rom und Konstantinopel als rivalisierende Blöcke mit unterschiedlichen Konzeptionen des kirchlichen Primats.

7.9 Die Kirchenväter liefern uns wertvolle Einsichten in Fragen des Primats und der Synodalität. Zum Beispiel gibt Maximus der Bekenner durch sein eigenes Beispiel zu bedenken, dass diese Begriffe sich nicht grundsätzlich ausschließen, wenn es um die Kirche auf der universalen Ebene geht. Er ermutigte Papst Martin I., das Laterankonzil im Jahr 649 einzuberufen, das den Monotheletismus verurteilte, und spielte eine entscheidende Rolle bei der Abfassung der Konzilsbeschlüsse. Als ein Kirchenvater sowohl der westlichen als auch der östlichen Kirche zeigt sein Engagement zudem, dass keine Person oder Institution das Monopol der Wahrheit in der Kirche innehat.

7.10 In den Akten des Konzils von Nizäa II (787) stoßen wir in der sechsten Sitzung auf eine Widerlegung des Konzils von Hiereia (754), das beanspruchte ökumenisch zu sein, während es die Verehrung der Ikonen verurteilte. „Wie kann dieses Konzil ‚groß‘ und ‚ökumenisch‘ sein, da diejenigen, die den übrigen Kirchen vorsitzen, es weder anerkennen noch ihm zustimmen, sondern es vielmehr mit dem Anathema verwarfen? Es gab keine Mitwirkung des damaligen römischen Papstes und seiner Priester, weder einen Repräsentanten noch eine Enzyklika von ihm, wie es die Konzilsregeln vorsehen. Es hatte auch nicht die Zustimmung der Patriarchen des Ostens, d.h. von Alexandrien, Antiochien und der Heiligen Stadt oder ihrer Priester und Bischöfe.“23 Man sieht, dass die Stellung des Papstes klar unterschieden wird von der der anderen Patriarchen und dass seine Zustimmung zu einem Konzil besonderes Gewicht hat. Das erste Konzil von Konstantinopel (381), das vom Kaiser als Regionalkonzil einberufen worden war, erlangte nachträglich ökumenischen Status, weil sein Glaubensbekenntnis später vom Konzil von Chalcedon „rezipiert“ wurde. Indessen akzeptierten auch die römischen Bischöfe, zuerst Papst Hormisdas (+ 523) nach der Überwindung des Akakianischen Schismas, 519 seine dogmatischen Beschlüsse, nicht jedoch seine Kanones, weil Kanon 3 Konstantinopel einen Ehrenprimat an zweiter Stelle nach Rom zuerkannte. Als Leo I. sich aufgrund des Kanons 28, der Konstantinopel weitgehende jurisdiktionelle Autorität zuwies, weigerte, Chalcedon zuzustimmen, drängte Kaiser Marcian ihn, das Konzil insgesamt anzuerkennen, weil sonst dessen Autorität gefährdet wäre.

7.11 Diese Beobachtungen zeigen, dass es bis zum 8. Jahrhundert keine allgemeingültige Formel gab, die das Verhältnis von Primat und Synodalität auf der universalen Ebene bestimmte. Sowohl der Primat als auch die Synodalität entwickelten sich in der Alten Kirche und spiegelten die Herausforderungen ihrer Zeit wider. Sie wurden praktiziert, aber nicht kodifiziert. Kein einziges Modell scheint allgemein akzeptiert worden zu sein. Außer der Tatsache, dass die sieben ökumenischen Konzile alle von Rom und den Patriarchaten im Osten anerkannt wurden, blieb die Korrelation zwischen dem Primat des Bischofs von Rom und der Autorität eines ökumenischen Konzils unbestimmt. Um zu verstehen, wie der Primat in den ökumenischen Konzilen Ausdruck gefunden hat, muss man in jedem Einzelfall den besonderen Kontext berücksichtigen, einschließlich der kaiserlichen Autorität, der Lehrstreitigkeiten und der kulturellen Unterschiede.

7.12 Das Fehlen einer klaren Definition des Verhältnisses zwischen dem Primat des Bischofs von Rom und den ökumenischen Konzilen bedeutet nicht, dass es keine kreative Interaktion zwischen Primat und Synodalität gab. Es war nämlich diese Interaktion, die den Kirchen oft dazu verhalf, dem Evangelium treu zu bleiben. So gingen die Väter der ökumenischen Konzile – selbst wenn sie den besonderen Status Roms und seines Bischofs nie infrage stellten – kaum auf die gelegentlichen westlichen Stimmen ein, die diesen Primat maximalistisch zu verstehen suchten, und boten dadurch ein Korrektiv a silentio zu diesen Stimmen.

8. Die Zeit der Entfremdung (9. – 15. Jahrhundert)

Grundthese: Der Bruch zwischen dem griechischen Osten und dem lateinischen Westen war das Ergebnis eines langen Prozesses gegenseitiger Entfremdung zwischen dem 9. und 15. Jahrhundert. Diese war in erster Linie kulturell bedingt: Während Latein im hellenisierten Oströmischen Reich nur schwer verstanden wurde, verstand man im Westen kaum mehr Griechisch. Zweitens führten in politischer Hinsicht der Entzug der päpstlichen Jurisdiktion über das im Osten gelegene Illyricum und der Verlust der byzantinisch beherrschten Territorien in Italien zu einer stärkeren Orientierung der Bischöfe von Rom am Karolingischen Reich und zu einem wachsenden Misstrauen gegenüber den byzantinischen Kaisern. Drittens übernahm der Bischof von Rom zunehmend administrative Funktionen, die ursprünglich auf regionaler Ebene angesiedelt waren. Viertens vertiefte der byzantinische Bilderstreit die Kluft zwischen Konstantinopel und Rom in theologischer Hinsicht. Außerdem wurde die Filioque-Kontroverse von Patriarch Photios von Konstantinopel (ca. 810-893) als kirchentrennend verstanden. Die Errichtung lateinischer Hierarchien nach der Einnahme Jerusalems durch die Kreuzfahrer (1099) und der Eroberung Konstantinopels (1204) vertiefte die Kluft zwischen Ost und West noch weiter. Anstrengungen, die Einheit wiederherzustellen, zunächst zwischen Lateinern und Byzantinern, später auch andere Ostkirchen einbeziehend, konnten die entstandene Kluft nicht überwinden. Doch trotzdem wurde der Status der anderen als Kirche nicht infrage gestellt. Später führte die Verurteilung des Konziliarismus im Westen dazu, dass viele Theologen der Synodalität lange Zeit skeptisch gegenüberstanden.

8.1 Die ikonenfeindliche Haltung mancher byzantinischen Kaiser und der Übergang der päpstlichen Gebiete in Süditalien und im Ost-Illyricum unter die Jurisdiktion des Patriarchats von Konstantinopel trugen zu einer Umorientierung der Päpste von den Byzantinern zu den Franken bei. Die Krönung Karls des Großen zum Kaiser durch Papst Leo III. am Weihnachtstag des Jahres 800 brachte politische Spannungen zwischen Konstantinopel und Rom mit sich. Es gab de facto nicht länger ein Reich, sondern zwei Reiche mit zwei Kaisern. Die politische Trennung zwischen Rom und Konstantinopel war das Vorspiel zur späteren Kirchentrennung.

8.2 Nach dem 2. Konzil von Nizäa (787) begannen karolingische Theologen – ohne jedoch die Unterstützung Roms zu suchen – eine Kontroverse mit „den Griechen“ über die Verehrung der Ikonen. Das gegenseitige Missverständnis wurde durch die erste lateinische Übersetzung der Acta synodalia verstärkt, die es versäumte, einen klaren Unterschied zwischen „Anbetung“ (latreía) und „Verehrung“ (proskýnesis) zu machen. Letztere wurde ungenau als „Anbetung“ anstelle von „Verehrung“ wiedergegeben. Bereits im Jahr 807 kam es zu einer ersten großen Auseinandersetzung über das Filioquezwischen griechischen und lateinischen Mönchen in Jerusalem. Das sollte sich unter Photios, der 858 Patriarch von Konstantinopel wurde, noch zuspitzen. Indessen wurden nicht alle Brücken abgebrochen. So fielen zum Beispiel die ersten lateinischen Übersetzungen der Werke von Pseudo-Dionysius und Maximus dem Bekenner durch Johannes Scotus Eriugena (ca. 810-77) in diese karolingische Epoche. Außerdem gelang es dem Konzil von Konstantinopel (879-80), die Gemeinschaft zwischen Rom und Konstantinopel wiederherzustellen, indem es Photios wieder als Patriarch einsetzte.

8.3 Die Krise von 1054 wird oft fälschlicherweise so dargestellt, als ob sie den endgültigen Bruch zwischen Rom und Konstantinopel bedeutete. Es ging in dieser Krise um zwei Faktoren: (a) Das Vordringen der Normannen nach Süditalien, das die politische Allianz zwischen Rom und Konstantinopel zerstörte. (b) Nach der Eroberung Armeniens durch die Byzantiner im frühen 11. Jahrhundert entbrannte der Streit um den Gebrauch ungesäuerter Brote (Azymen) bei der Eucharistie erneut; bald wurde auch die römische Kirche, in der ebenfalls ungesäuerte Brote verwendet werden, darin einbezogen. Eine römische Delegation unter Leitung von Kardinal Humbert von Silva Candida reiste nach Konstantinopel, um diese beiden Streitfragen zu lösen. Dort stieß sie auf den entschlossenen Widerstand von Patriarch Michael Kerularios. Die Unfähigkeit beider Parteien, sich zu einigen, führte zum gegenseitigen Kirchenbann, der – was wichtig zu beachten ist – nur einzelne Personen betraf und nicht die Kirchen von Konstantinopel und Rom in ihrer Gesamtheit. Zu dieser Zeit war Leo IX. – der Papst, der die römische Delegation entsandt hatte – bereits verstorben. Bis heute ist umstritten, ob seine Delegation dadurch ihre Vollmacht verloren hatte. Als Bari 1071 an die Normannen fiel, verloren die Byzantiner ihre letzte militärische Bastion in Italien, und Rom gab jegliche Hoffnung auf, von Konstantinopel militärische Hilfe gegen die Normannen zu erhalten. Die Bemühungen von Patriarch Peter III. von Antiochien (1052-56), in dem Streit zu vermitteln, erwiesen sich als erfolglos.

8.4 Auf diesem Hintergrund veränderte sich die primatiale Funktion des Bischofs von Rom im Mittelalter grundlegend. Das Ende des Römischen Reiches im Westen 476 schuf ein Machtvakuum, das teilweise durch den Papst gefüllt wurde, dem es dadurch möglich war, sich im Westen als alleinigen Bezugspunkt in Konfliktfällen zu profilieren. Im Investiturstreit zwischen dem Papsttum und dem deutschen Kaiserreich (Ende des 11. und Anfang des 12. Jahrhunderts) hat der Papst einen so deutlichen Sieg errungen, dass die Verantwortung für das spirituelle Wohl des Volkes weitgehend den Händen des Kaisers entrissen wurde. Der „Dictatus papae“ (1075), ein inoffizielles Dokument, dessen wirklicher Kontext unklar ist, spiegelt diese Entwicklung wider. In seinen 27 Axiomen misst er dem Papst eine größere Autorität als je zuvor zu, einschließlich des Rechtes, den Kaiser abzusetzen. Obwohl die Gregorianische Reform (benannt nach Papst Gregor VII., 1073-85) darauf zielte, Simonie, klerikalen Missbrauch und die Einmischung des Kaisers in das Leben der Kirche zu beenden, ist der <i>Dictatus</i> ein Beispiel dafür, wie einseitig manche Aspekte dieser Reform waren. Diese Entwicklungen irritierten die Byzantiner verständlicherweise.

8.5 Die Kreuzzüge waren eine Folge der westlichen politischen, kulturellen und theologischen Entwicklungen vom 11. bis zum 13. Jahrhundert, zu denen auch das neue Selbstverständnis der römischen Päpste gehörte. Ursprünglich zur militärischen Unterstützung der Byzantiner unter Kaiser Alexios I. (1081-1118) gedacht, wurden sie bald zu einem mächtigen Instrument, um die führende Stellung des Papsttums zu fördern und die kollektive Identität der westlichen Kirche zu festigen. Die Gründung der Kreuzfahrerstaaten und die Entwicklung paralleler kanonischer Strukturen, einschließlich der Ernennung lateinischer Patriarchen in Jerusalem, Antiochien und Konstantinopel, waren mit dem Bewusstsein der Opposition zwischen Byzantinern und Lateinern verbunden. Die gewaltsame Eroberung Konstantinopels im Jahr 1204 während des vierten Kreuzzuges führte zu einer tiefen Feindschaft der Byzantiner gegen Rom. Die Vertreibung der byzantinischen Kaiser und Patriarchen ins Exil (sie residierten bis zur Rückeroberung Konstantinopels 1261 in Nizäa) und die Besetzung der wichtigsten Kirchen und Klöster in Konstantinopel durch Lateiner (unter ihrem eigenen Patriarchen) schienen die Kluft unüberbrückbar zu machen.

8.6 Das gesteigerte Selbstbewusstsein der römischen Päpste zeigte sich auch in den mittelalterlichen Konzilen der westlichen Kirche. Die ersten vier Konzile, die im Lateran stattgefunden haben (1123, 1139, 1179 und 1215), können zu Recht als „Papstkonzile“ bezeichnet werden. Die Bulle <i>Unam Sanctam</i> (1302) von Papst Bonifatius VIII. deutete die „Zwei-Schwerter“-Theorie so um, dass der Klerus das „geistliche Schwert“ führte, während der Staat das „weltliche Schwert“ für die Kirche zu führen hatte. Die Bulle provozierte eine militärische Reaktion von Philipp IV. dem Schönen von Frankreich, der mit seinen Truppen den Papst in Anagni (1303) angriff. In dieser Epoche griff der Papst häufiger ein, wenn es Probleme in einer Ortskirche gab, selbst wenn nicht an ihn appelliert worden war. Sein Status als „vicarius Christi“ sollte ihn über die Bischöfe stellen, aber ohne deren Status als Bischöfe zu ändern.

8.7 Unter den Faktoren, die zur Spaltung zwischen Orthodoxen und Katholiken führten, darf man neben den dogmatischen und liturgischen Differenzen wie dem Filioque und den Azymen die Probleme der kirchlichen Jurisdiktion (vgl. § 8.1) nicht unterschätzen. Dem zweiten Konzil von Lyon (1274), das mit den Befürchtungen des byzantinischen Kaisers Michael VIII. Palaiologos vor einer erneuten Eroberung Konstantinopels durch die Lateiner nach 1261 zusammenhing, gelang es nicht, die Einheit der Kirche wiederherzustellen, weil die wesentlichen Fragen nicht angesprochen wurden und das Konzil von der Orthodoxen Kirche nicht rezipiert wurde.

8.8 Das Konzil von Konstanz (1414-18) kann als eine Reaktion auf den Ausnahmezustand verstanden werden, in dem sich die westliche Kirche damals befand – zerrissen zwischen drei „Obödienzen“, wobei weder Heilige noch Theologen, weder katholische Fürsten noch gewöhnliche Gläubige letztendlich wussten, wer der richtige Papst war. Der sogenannte „Konziliarismus“ entwickelte sich als eine Reaktion auf das westliche Schisma (1378-1417). Es war ein theologischer Ansatz, der bedeutende Probleme überwinden sollte, die durch eine Überbetonung des päpstlichen Primats hervorgerufen wurden und der daher die Superiorität der Konzile über die Päpste betonte. Obwohl die Absetzung von zwei rivalisierenden Päpsten (Johannes XXIII. und Benedikt XIII.) durch ein Konzil und der Rücktritt von Papst Gregor XII. nie infrage gestellt worden sind, wurde der Konziliarismus, verstanden als grundsätzliche Überordnung eines ökumenischen Konzils über den Papst, in der Praxis verurteilt. Die genaue Gültigkeit der Konstanzer Dekrete ist bis heute umstritten. Der Papst, den dieses Konzil 1417 wählte, Martin V., ergriff schon 1418, unmittelbar nach dem Konzil, Maßnahmen gegen den Konziliarismus, die von seinem Nachfolger, Eugen IV. (1431-47), noch verstärkt wurden. Paradoxerweise bekam die Autorität des Papstes weiteren Auftrieb durch die Griechen, die sich entschieden, auf dem Konzil von Ferrara-Florenz mit der antikonziliaristischen Partei von Eugen IV. und nicht mit dem Konzil von Basel zu verhandeln. Der Konziliarismus wurde erst 1516 vom 5. Laterankonzil endgültig verurteilt, das beschloss: „Nur der jeweilige römische Bischof als Inhaber der Vollmacht über alle Konzilien hat das volle Recht und die Gewalt, Konzilien anzukündigen, zu verlegen und aufzulösen“.24 Die Debatte über den Konziliarismus zeigt, dass das Konzept und die Praxis der Synodalität in der katholischen Kirche vorhanden war; aber aufgrund dieser Auseinandersetzungen war sie für lange Zeit diskreditiert.

8.9 Auf dem Konzil von Ferrara-Florenz (1438-39) begegneten sich Griechen und Lateiner auf Augenhöhe und erkannten sich so gegenseitig als Kirchen an, ohne dass dies angefochten wurde. Im Juli 1439 wurde eine Union abgeschlossen. Während des gleichen Konzils wurden kurzlebige Unionen mit wichtigen orientalischen Kirchen wie den Armeniern und den Kopten abgeschlossen. Die Promulgation des Unionsdekrets am 12. Dezember 1452 in der Hagia Sophia spaltete die Byzantiner noch mehr und verstärkte die Antipathie des griechischen Klerus und Volkes gegen die Lateiner. Die Griechen erwarteten nicht nur eine Union mit Rom, sondern auch militärische Unterstützung gegen die Osmanen. Eine große Armee, die der Papst versprochen hatte, um diesen Herausforderungen zu begegnen, wurde von den Osmanen 1444 in Varna am Schwarzen Meer besiegt. Kurz danach, am 29. Mai 1453, fiel Konstantinopel an die Osmanen. 1484, dreißig Jahre nach dem Fall Konstantinopels, erklärten die vier Patriarchen des Ostens die Union formal für ungültig. So scheiterte das Konzil als Versuch, die Einheit der Kirche wiederherzustellen. Trotzdem wurde die Union von Florenz zu einem Modell für spätere Teilunionen mit Rom (vgl. § 9.10), und eben deshalb wurde sie von orthodoxer Seite zunehmend negativ beurteilt.

9. Die Zeit der Konfessionalisierung (16. – 18. Jahrhundert)

Grundthese: Nach dem Scheitern der Unionskonzile von Lyon (1274) und Ferrara-Florenz (1438/39) und dem Fall Konstantinopels an die Osmanen (1453) kam es auf beiden Seiten zu einer allmählichen Verhärtung der Fronten, die durch die Reformation noch weiter verstärkt wurde. Die Auseinandersetzungen von Orthodoxen und Katholiken untereinander sowie mit den Protestanten führten zur Entstehung von konfessionellen Identitäten, die in Gegensatz zueinander standen. In den „symbolischen Büchern“ aus dieser Zeit, die nach dem Muster der Bekenntnisschriften der Protestanten verfasst waren, übernahmen orthodoxe Theologen Argumente der Katholiken gegen die Protestanten und protestantische Argumente gegen die Katholiken. Außerdem orientierte sich das von Peter dem Großen in Russland eingeführte „Synodalsystem“ an protestantischen Vorbildern. In der katholischen Kirche vertrat die nachtridentinische Theologie einen exklusivistischen Heilsbegriff, der zu missionarischen Bemühungen unter anderen Christen führte. In manchen Regionen wurden Teilunionen der Orthodoxen mit Rom abgeschlossen (Brest, Užhorord u.a.). Doch erst im 18. Jahrhundert wurde die Sakramentsgemeinschaft endgültig widerrufen, die bis dahin noch in manchen Regionen praktiziert worden war. Dies bestätigte den Bruch, der de facto schon seit Jahrhunderten bestand.

9.1 Während der Reformation suchten die Lutheraner, später auch einige Anglikaner Unterstützung bei den Orthodoxen. Obwohl die Orthodoxen diese Annäherungsversuche ablehnten, verfassten auch sie „Bekenntnisschriften“. Diese schöpften nicht nur aus traditionell orthodoxen, sondern auch aus protestantischen und katholischen Quellen. Im 20. Jahrhundert kritisierte Georgij Florovskij (1893-1979) diese Entwicklungen heftig als eine Verformung (pseudomorphosis)25 – eine These, die von Historikern und Theologen bis heute diskutiert wird.

9.2 Im Gefolge der Reformation, die sich in einzelnen Ländern Europas unterschiedlich entwickelte, übernahmen sowohl Katholiken als auch Orthodoxe immer mehr ein konfessionelles Selbstverständnis. Trotz dieser problematischen Verkürzung kirchlicher Identität auf konfessionelle Formeln gab es in diesem Zeitraum auch kreative Entwicklungen in diesen Kirchen, besonders in der Spiritualität, und gegenseitige Beeinflussungen von Ost und West. So war es beispielsweise Ignatius von Loyola (1491-1556) ein großes Anliegen, sich an der Spiritualität der griechischen Väter zu orientieren, und die Bollandisten studierten intensiv Leben und Werk östlicher Väter und Heiliger. Dominikaner wie Jacques Goar (1601-53) und Michel Le Quien (1661-1733) trugen viel zur Förderung des Studiums des christlichen Ostens bei. Auf östlicher Seite edierte Nikodemos Hagiorites (1749-1809) solche Klassiker wie Der geistliche Kampf26 des Theatiners Lorenzo Scupoli (ca. 1530-1610). Und die von Nikodemos Hagiorites und Makarios von Korinth (1731-1805) zusammengestellte Philokalie, erstmals 1782 in Venedig veröffentlicht, hatte im Osten wie im Westen großen, wenn auch nicht einheitlichen Einfluss.

9.3 Der Kontext, in dem sich Orthodoxe und Katholiken befanden, führte zur Entwicklung von Institutionen der höheren Bildung wie den Jesuitenakademien in ganz Europa und der Akademie von Peter Mogila in Kiew. Während die Theologie in diesem Zeitraum weitgehend polemisch war, brachten dennoch Theologen vom Format des Orthodoxen Maximos Margounios (1549-1602) und des Katholiken Leo Allatius (ca. 1586-1669) die wesentliche Konvergenz zwischen ihren Kirchen klar zum Ausdruck.27

9.4 Orthodoxe Polemiker verwendeten typischerweise katholische Argumente gegen die Protestanten, wie im Streit um die Eucharistie, und protestantische Argumente gegen die Katholiken, wie in ihrer Auseinandersetzung mit dem päpstlichen Primat. Auf ähnliche Weise verwendeten Katholiken orthodoxe Argumente gegen die Protestanten; zum Beispiel wurden die Aussagen von Nikolaos Kabasilas (ca. 1321-92) zur Realpräsenz in der Eucharistie vom Konzil von Trient zitiert.28

9.5 Obwohl die Autorität des Papsttums von den Reformatoren nachdrücklich in Frage gestellt wurde, hat sich das Konzil von Trient (1545-63) nicht unmittelbar mit dem päpstlichen Primat befasst und damit die Frage nach der Autorität des Papstes in doktrinärer Hinsicht offen gelassen. In der Praxis jedoch haben die vom Trienter Konzil angestoßenen und von den Päpsten umgesetzten Reformen im kirchlichen Leben zu einer Zentralisierung der Lehrautorität in der katholischen Kirche und zu einer stärkeren Rolle des römischen Stuhls geführt. Seitdem hat sich die Loyalität zum Papsttum zu einem Unterscheidungsmerkmal katholischer Identität entwickelt.

9.6 Im 16. Jahrhundert war der als Magna Graecia bekannte Teil Süditaliens die Heimat Zehntausender byzantinischer Christen. Nach dem Konzil von Florenz war diese Gemeinschaft, einschließlich neu angekommener Flüchtlinge aus Albanien, weiterhin eine autonome Kirche in voller Gemeinschaft mit der Kirche von Rom. Sie verlor ihren autonomen Status aufgrund der nachtridentinischen Reformen des Kirchenrechts, die zu dem Dekret Perverbis Instructio (1596) führten. Aufgrund dieses Dekrets wurde die Gemeinschaft der Jurisdiktion des lateinischen Ortsbischofs unterworfen. Obwohl sie ihres Bischofs beraubt war, behielt sie dennoch ihre Liturgie und ihre Priester bei. Aber ohne Verbindungen zu Konstantinopel und aufgrund des Verlusts ihrer Autonomie wurde sie zu einem Ritus reduziert, der in der katholischen Kirche geduldet wurde (ecclesia ritualis). Es wurde ihr ein Titularbischof als Ordinarius gewährt, der in Rom residierte und dessen einzige Funktion darin bestand, Priester und Diakone im byzantinischen Ritus zu weihen. Diese Entwicklung lieferte ein Modell für den Uniatismus (vgl. § 9.10).

9.7 Die Tatsache, dass die katholische Kirche als politischer Akteur mehr und mehr an Boden verlor, hat diesen Prozess begünstigt. Die Weigerung, mit den Protestanten zu verhandeln, hat die Vertreter Roms bei den Verhandlungen zur Beendigung des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) isoliert, so dass selbst katholische Staaten ihre eigenen Interessen häufig über die der Kirche gestellt haben. Die katholische Kirche kehrte sich immer mehr nach innen und entwickelte neue Formen der Frömmigkeit, z.B. im Bereich der Marienverehrung. Während weite Gebiete Europas der katholischen Kirche durch die Reformation verloren gingen, betonten katholische Kirchenführer zugleich die Bedeutung der Evangelisierung der kürzlich neu entdeckten Kontinente.

9.8 In Russland versuchte Peter der Große im frühen 18. Jahrhundert, das Land nach europäischen Vorbildern zu modernisieren, was in vieler Hinsicht auch Auswirkungen auf die Kirche hatte. Er führte ein synodales System der Kirchenleitung ein und versuchte auch, den Bildungsstand des Klerus zu verbessern. Dies führte einerseits dazu, dass die kirchliche Verwaltung vorwiegend synodal strukturiert wurde (nach protestantischem Muster, nicht nach dem der Alten Kirche), wobei die Interessen des Staates eine entscheidende Rolle spielten. Andererseits wurde – ebenfalls nach westlichen kirchlichen Vorbildern – die theologische Ausbildung verbessert, wodurch die Grundlage für die Errungenschaften der russischen Theologie im 19. Jahrhundert gelegt wurde.

9.9 Im Osmanischen Reich hat die Struktur des Rum-Millet zu einer Zentralisierung im Leben der Orthodoxen Kirche geführt. Die osmanische Ära führte dementsprechend zu einer wachsenden Bedeutung des Ökumenischen Patriarchats auf Kosten der anderen orthodoxen Patriarchate, die in der osmanischen Praxis faktisch dem Ökumenischen Patriarchen unterstellt waren. Das sollte weitreichende Folgen für die Kirche im 19. Jahrhundert haben, als die nationalen Bewegungen im Osmanischen Reich erstarkten, vor allem auf dem Balkan. Die nicht-griechischen Orthodoxen sahen den Patriarchen von Konstantinopel nicht mehr als ihren Vertreter an, vor allem nicht in ihrem politischen Streben nach nationaler Emanzipation.

9.10 In dieser Epoche führten alle Versuche, die Einheit mit Rom wiederherzustellen, in den osteuropäischen Ländern nur zu Teilunionen, die die Ortskirchen in Katholiken und Orthodoxe spalteten. Die ersten, die die Gemeinschaft mit Rom wiederherzustellen suchten, waren die Orthodoxen im Polnisch-Litauischen Staat, die von dem Wunsch getrieben waren, eine Gleichstellung mit dem polnischen Adel zu erlangen. 1595 sandten sie zwei Bischöfe zu Verhandlungen nach Rom, die dort zwar ein Abkommen mit Rom unterzeichneten, das aber auf der Synode von Brest (1596) nicht von allen Bischöfen akzeptiert wurde, weil sie erwartet hatten, auf der Basis des Konzils von Florenz behandelt zu werden, und nicht nach dem Konzil von Trient. Als nächstes kamen die Uskoken, Orthodoxe, die der osmanischen Herrschaft in Serbien entflohen waren. 1611 gründeten sie eine kleine katholische Ostkirche in Marča in Kroatien, wobei sie ihren Ritus beibehielten und in Gemeinschaft sowohl mit dem orthodoxen Patriarchat von Peć (Serbien) als auch mit dem Papst blieben. Ebenfalls im Geist der Union von Brest schloss sich 1646 die Eparchie von Mukačevo (heute am Rande der Karpaten in der Ukraine), damals geteilt zwischen Ungarn und Siebenbürgen, auf der Synode von Užhorod der katholischen Kirche an. Im Jahr 1700 trat ein Teil der rumänisch sprechenden Gläubigen in Siebenbürgen (seit 1918 ein Teil Rumäniens) der katholischen Kirche bei – als Reaktion auf den steigenden Druck der calvinistischen Fürsten, aber ebenso ermutigt durch den Proselytismus der Jesuiten. Angesichts der exklusivistischen Ekklesiologie, die in Reaktion auf die protestantische Reformation nach dem Konzil von Trient dominant wurde, fragten sich sowohl Katholiken als auch Orthodoxe, ob eine schismatische Gemeinschaft als Heilsinstrument dienen könne.

9.11 In anderen Teilen der orthodoxen Welt, z.B. im Mittelmeerraum, lebten Orthodoxe und Katholiken, trotz unleugbarer Spannungen, relativ friedlich zusammen. Erst im Juli 1729 verordnete die Propaganda fide, die römische Kongregation für die Mission, ein Verbot jeglicher communicatio in sacris mit Christen, die nicht in Gemeinschaft mit Rom standen.29 Dieser Erlass ist wichtig, weil er zeigt, dass es bis zu dieser Zeit noch einige Formen liturgischer und sakramentaler Gemeinschaft zwischen Orthodoxen und Katholiken gab (sonst wäre es nicht nötig gewesen, sie zu verbieten). Die Antwort auf das römische Dekret von orthodoxer Seite wurde im Juli 1755 veröffentlicht, als die Patriarchen von Konstantinopel, Alexandrien und Jerusalem erklärten, dass sie alle Sakramente außerhalb der Orthodoxen Kirche als ungültig betrachten und alle Nicht-Orthodoxen, die zur Orthodoxie konvertieren, nur durch die Taufe aufgenommen werden sollten.30 Die Russische Orthodoxe Kirche nahm jedoch weiterhin Konvertiten aus der katholischen Kirche nur durch die Beichte auf.

10. Die Zeit der ekklesiologischen Selbstbezogenheit (19. Jahrhundert)

Grundthese: Die katholische Kirche in Westeuropa sah sich im 19. Jahrhundert mit drei Herausforderungen konfrontiert: einer ekklesiologischen, die vor allem im Gallikanismus zum Ausdruck kam, einer politischen durch die zunehmende Kontrolle der Kirche durch den Staat und einer intellektuellen durch Entwicklungen in der modernen Wissenschaft. Eine Reaktion auf diese Herausforderungen war die Bewegung des Ultramontanismus, die dem päpstlichen Primat eine übertriebene Bedeutung gab, wie sie in den Definitionen des Ersten Vatikanischen Konzils zum Ausdruck kommt. Ein adäquates Verständnis der Definitionen dieses Konzils sollte jedoch einer sorgfältigen Lektüre seiner Akten folgen und nicht seiner maximalistischen Interpretation.

Die Betonung der Nation im politischen Bereich führte im 19. Jahrhundert bei manchen orthodoxen Völkern zu einer Überbetonung des ethnischen Prinzips auf Kosten des territorialen, was die Entstehung von Nationalkirchen begünstigte. Eine Synode der orthodoxen Patriarchen in Konstantinopel 1872 reagierte darauf mit der Verurteilung des Ethnophyletismus. Dennoch hat das nationalkirchliche Prinzip bis heute eine nachteilige Auswirkung auf das Zeugnis der Orthodoxen Kirche für die Einheit.

10.1 Im Gallikanismus (abgeleitet von Gallien, d.h. Frankreich), ein Begriff, der bis ins 17. Jahrhundert zurückgeht, lebte der Gedanke des Konziliarismus wieder auf, der eine Unterordnung des Papstes unter das Konzil anstrebte. Er nahm im 19. Jahrhundert durch die Betonung der Autonomie der nationalen Kirchen eine veränderte Gestalt an. Die vor allem in Frankreich weit verbreiteten gallikanischen Ideen nahmen in Deutschland eine vergleichbare Form im Febronianismus an (benannt nach Febronius, dem Pseudonym des Trierer Weihbischofs Johann Nikolaus von Hontheim, 1701-90). Vor dem Hintergrund der Debatte über den Konziliarismus im Spätmittelalter wurden sowohl der Gallikanismus als auch der Febronianismus von den damaligen Päpsten verurteilt.

10.2 Im politischen Bereich sah sich die katholische Kirche einerseits mit grundlegenden Veränderungen im Verhältnis von Staat und Kirche konfrontiert, wie zum Beispiel der Instrumentalisierung der Kirche durch den Staat in Frankreich und im Habsburger Reich (was als „Josephinismus“ bezeichnet wird, benannt nach Kaiser Joseph II., der von 1780-90 regierte) und dem drohenden Verlust des Kirchenstaates. Außerdem wurde die Kirche durch den wachsenden Einfluss des Liberalismus herausgefordert, der in vielen europäischen Ländern mit einem ausgeprägten Antiklerikalismus der laizistisch orientierten Regierungen verbunden war.

10.3 Die intellektuelle Herausforderung bestand in der Entwicklung der modernen Naturwissenschaften, der Religionskritik in Philosophie und Geisteswissenschaften und der Anwendung der historisch-kritischen Methode auf die Heilige Schrift. Die wissenschaftlichen Fortschritte in der Archäologie, Geologie, Geschichtswissenschaft usw. hinterfragten die überlieferten Glaubensformulierungen; es war dringend notwendig, einen Weg zu finden, um sie in einer neuen Situation angemessen zum Ausdruck zu bringen. Diese Herausforderung verlangte ein Überdenken des Verhältnisses von Glaube und Vernunft.

10.4 Diese Herausforderungen riefen als Gegenreaktion die Bewegung des Ultramontanismus hervor, die in den Ländern nördlich der Alpen entstand und zu einer Überbetonung des päpstlichen Primats führte. Die Anhänger dieser Bewegung waren von der Notwendigkeit der Führung durch den Papst überzeugt, der in Rom „jenseits der Berge“ (ultramontan) regierte. Der Ultramontanismus war jedoch nicht nur eine Gegenbewegung, sondern kann auch als eine Anpassung der Kirche an die Zwänge der modernen Gesellschaft angesehen werden. Durch eine Neuorientierung an Rom versuchte die Kirche, auf die Französische Revolution und ihre Folgen einzugehen: das Verschwinden des Heiligen Römischen Reiches, die Umstrukturierung der französischen Diözesen und die Absetzung all ihrer Bischöfe. Doch diese Konsequenzen führten paradoxerweise zu einer ungeheuren Stärkung der Macht des Papsttums.

10.5 Die ultramontane Bewegung stärkte – unterstützt durch neue Formen der Kommunikation, die päpstliche Verlautbarungen unmittelbar einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machten – die emotionale Bindung vieler Gläubigen an den Bischof von Rom. Unter den Päpsten Gregor XVI. (1831-46) und Pius IX. (1846-78) wurde das Papsttum selbst zu einem der Hauptakteure der ultramontanen Bewegung. Darüber hinaus wurde die zentrale Rolle Roms durch die missionarische Expansion der damaligen Zeit verstärkt, die die Bedeutung nationaler Grenzen relativierte. Der Papst wurde zunehmend zur primären Figur, die die katholische Kirche symbolisierte und mit der sich viele Katholiken weltweit identifizierten.

10.6 Bestimmte Ideen der ultramontanen Bewegung fanden ihren Niederschlag in den Definitionen des Ersten Vatikanischen Konzils. Die lehrmäßigen Definitionen des Ersten Vatikanischen Konzils können nur dann richtig verstanden werden, wenn man ihren historischen Kontext berücksichtigt, der maßgeblichen Einfluss auf den Text hatte. Die Formulierung der Dogmen von der universalen Jurisdiktion und der Unfehlbarkeit können als Reaktion auf die Herausforderungen der damaligen Zeit gesehen werden. Diese Dogmen führen die zentralisierende Tendenz der vorherigen Jahrhunderte weiter und kämpfen gegen den innerkirchlichen Rationalismus und die Angriffe des Unglaubens, die sich damals in ganz Europa ausbreiteten. Aufgrund der politisch bedingten Veränderungen in den Kirchenstrukturen im Laufe des 19. Jahrhunderts stärkte die katholische Kirche auf dem Ersten Vatikanischen Konzil die Autorität des Papstes und ermächtigte ihn, lokale Konflikte direkt zu lösen, um die Einheit der Kirche in Krisenzeiten zu bewahren.

10.7 Im Gegensatz zum vorherrschenden volkstümlichen Verständnis des Ersten Vatikanischen Konzils macht das Dogma von der universalen Jurisdiktion, wenn man die Akten des Konzils sorgfältig liest, den Papst nicht zu einem absoluten Monarchen, insofern er an die göttliche Offenbarung und das Naturgesetz gebunden bleibt und die Rechte der Bischöfe und die Entscheidungen der Konzile respektieren muss. Tatsächlich hat das Erste Vatikanische Konzil nicht die Aussage„Der Papst ist unfehlbar“ zum Dogma erhoben, sondern es hat vielmehr in einer viel längeren Definition festgelegt, unterwelchen Bedingungen der Papst die Lehre der Kirche auf unfehlbare Weise zum Ausdruck bringen kann. Dem Selbstverständnis des Konzils gemäß bedeutet die Aussage, dass päpstliche Definitionen „aus sich selbst, nicht aufgrund der Zustimmung der Kirche“ (ex sese, non autem ex consensu ecclesiae) unabänderlich seien, nicht, dass er eine Lehre isoliert von der Gemeinschaft der Kirche definieren kann. Der Papst kann keine neue Lehre verkünden, sondern kann nur eine bereits im Glauben der Kirche (depositum fidei) verankerte Lehre genauer formulieren.

10.8 Für eine angemessene Interpretation der Definitionen des Ersten Vatikanischen Konzils ist die Kenntnis der Textgeschichte unerlässlich, vor allem, warum die verwendeten Begriffe ausgewählt wurden. In dieser Hinsicht ist der Rekurs auf die Erklärungen, die auf dem Konzil vor der Abstimmung dieser Texte gegeben wurden, methodologisch notwendig. Nur so kann man die genaue Bedeutung der von den Konzilsvätern beabsichtigten Formulierung verstehen.Darüber hinaus hat die Rezeptionsgeschichte bzw. die nachfolgende Interpretation der Beschlüsse durch das Lehramt der katholischen Kirche maßgebliche Bedeutung für ein adäquates Verständnis der Lehre des Konzils. Innerhalb der Rezeptionsgeschichte ist das Antwortschreiben der deutschen Bischöfe von 1875 auf die Zirkulardepesche Bismarcks31 von entscheidender Bedeutung, weil es von Pius IX., demselben Papst, der auch das Konzil einberufen hatte, als authentische Interpretation32 des Konzils gewürdigt wurde. Nach diesem Dokument schmälert der Jurisdiktionsprimat des Papstes nicht die ordentliche Autorität der Bischöfe, da das Bischofsamt auf „derselben göttlichen Einsetzung“33 wie das Papstamt beruht. Zudem erstreckt sich die päpstliche Unfehlbarkeit „auf dasselbe Gebiet wie das unfehlbare Lehramt der Kirche überhaupt und ist an den Inhalt der Hl. Schrift und der Überlieferung sowie an die bereits von dem kirchlichen Lehramt gegebenen Lehrentscheidungen gebunden“.34

10.9 Die Unterbrechung und das abrupte Ende des Konzils – ausgelöst durch den Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges von 1870 und die anschließende Annexion Roms durch das Königreich Italien – führten zu einer Unausgewogenheit in seiner Ekklesiologie: der Behandlung des päpstlichen Primats unabhängig vom Bischofsamt und vom Mysterium der Kirche als Ganzer (vgl. § 11.12). Daher bietet das Erste Vatikanische Konzil keine vollständige Ekklesiologie, insbesondere im Blick auf die Rolle der Bischöfe, Metropoliten, Patriarchen, Synoden, Laien, etc. Außerdem unterlag das Konzil noch weiteren Beschränkungen: erstens durch die Verwendung hochspezialisierter kanonischer Begriffe, die im Alltag oft eine andere Bedeutung haben und daher für Fehlinterpretationen anfällig sind; zweitens durch eine Theologie, die unzureichend von der Heiligen Schrift und der Kirchengeschichte geprägt war.

10.10 Historische Untersuchungen führen zu der Erkenntnis, dass viele Formen der Rezeption des Ersten Vatikanischen Konzils, besonders seine maximalistische Auslegung, den Definitionen des Konzils nicht entsprechen. So ist zum Beispiel die Unfehlbarkeit des Papstes nicht die Quelle der Unfehlbarkeit der Kirche, sondern umgekehrt. Ein anderes Beispiel: Die Lehräußerungen des Papstes erheben nicht den Anspruch auf Unfehlbarkeit, es sei denn, es handelt sich um ex-cathedra-Definitionen. Nur wenn man sich dieser Differenzen zwischen der ursprünglichen Intention und der anschließenden Rezeption bewusst ist, können spätere apologetische Einstellungen überwunden werden.

10.11 Obwohl das Erste Vatikanische Konzil in erster Linie eine Reaktion auf die oben erwähnten Phänomene in der westlichen Gesellschaft war, darf man die Sicht des christlichen Ostens nicht vergessen. Die ekklesiologischen Vorstellungen des christlichen Ostens, der die Rechte der Ortskirchen stärker betont, wurden beim Konzil vor allem von einigen der anwesenden Bischöfe der katholischen Ostkirchen angesprochen. Allerdings gelang es ihnen nicht – ebenso wie einer Minderheit der lateinischen Bischöfe –, das Konzil zu einer Berücksichtigung ihrer Bedenken zu bewegen.

10.12 Die Lehren des Ersten Vatikanischen Konzils, die in der Konstitution Pastor Aeternus (1870) enthalten sind, führten zu Einwänden seitens einer beträchtlichen Zahl katholischer Bischöfe, Priester und Gläubigen. Innerhalb der katholischen Kirche wurden die Beschlüsse des Konzils erst nach einigen Jahren von allen Bischöfen akzeptiert, trotz weiter bestehender Bedenken. Einige katholische Priester und Laien, die das Konzil als eine Abweichung von der Tradition der Kirche betrachteten, gründeten schließlich die Alt-katholische Kirche, die ihrerseits einen intensiven Dialog mit der Russischen Orthodoxen Kirche führte. Bei diesen Gesprächen, beispielsweise auf den Bonner Konferenzen von 1874 und 1875, zeigte sich, dass viele Differenzen zwischen den Kirchen in Ost und West (z.B. die Filioque-Frage) leichter gelöst werden könnten, wenn sie unabhängig von der Primatsfrage behandelt würden.

10.13 Nach dem Ersten Vatikanischen Konzil lässt sich ein größerer Respekt der Päpste gegenüber den Traditionen des christlichen Ostens beobachten (vgl. die Enzyklika von Papst Leo XIII. Orientalium dignitas, 1894). Aber das verblieb im Rahmen von Unionsvorstellungen, die für die Orthodoxen unannehmbar und – aus heutiger Sicht – nicht für die Wiederherstellung der Gemeinschaft zwischen unseren Kirchen geeignet waren (vgl. die Enzyklika desselben Papstes Satis cognitum, 1896). Analoge Positionen finden sich auch in offiziellen Texten der Orthodoxen Kirche aus dieser Zeit (vgl. die Enzyklika des Patriarchen Anthimos VII. von Konstantinopel, 1895). Diese Dokumente basieren auf einer exklusivistischen Ekklesiologie der „Rückkehr“ und zeugen von einer herablassenden Haltung, die in der Überzeugung jeder Kirche zum Ausdruck kommt, dass sie allein die Fülle der Wahrheit besitzt und dass die andere Kirche in irgendeiner Weise defizitär ist. Keine der beiden Seiten war damals bereit, sich ernsthaft mit der Position der anderen auseinanderzusetzen.

10.14 Wie im Westen, so stellte die Aufklärung auch im Osten etablierte kirchliche Institutionen infrage. Die griechischsprachige Welt kam bereits im 18. Jahrhundert in Kontakt mit der Aufklärung. Anfangs gab es einige positive Reaktionen und bedeutende Gelehrte (viele von ihnen waren Mitglieder des orthodoxen Klerus oder Mönche) übersetzten eine Reihe von Werken westlicher Autoren über Naturwissenschaften, Mathematik, Astronomie, usw., während andere selbst ähnliche Werke verfassten. Viele dieser Autoren beschäftigten sich auch mit der französischen und deutschen Aufklärung, während einige von ihnen noch weiter, bis Descartes (1596-1650) und Leibniz (1646-1716), zurückgingen. Andererseits gab es sukzessiv auch Reaktionen gegen einige Aspekte der Aufklärung wie die Autonomie des Individuums, Traditionskritik, Materialismus und Antiklerikalismus. Diese tauchten zunächst in den Kreisen der Bewunderer der wissenschaftlichen Errungenschaften der Aufklärung auf und provozierten schließlich eine negative Einstellung seitens der kirchlichen Hierarchie. Infolgedessen wurde die Aufklärung für viele verdächtig, und einigen ihrer Anhänger wurde es nicht erlaubt, in kirchlichen Hochschulen zu lehren. Eine weitere Gruppe von Theologen bildete sich allmählich heraus, die der Aufklärung und der westlichen Kultur als Ganzer feindlich gegenüberstanden. Spuren dieses Konflikts finden sich in der orthodoxen Welt bis heute.

10.15 Die russische Religionsphilosophie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts wurde zu einer bedeutenden Komponente des orthodoxen geistlichen Neuaufbruchs dieser Epoche. Sie konzentrierte sich auf die Diskussionen zwischen „Slawophilen“ und „Westlern“ und initiierte ein breites und kreatives Verständnis zeitgenössischer politischer, sozialer und kultureller Phänomene, einschließlich solch wichtiger Konzepte wie Chomjakows „Sobornost‘“ oder Solowjows Philosophie der „All-Einheit“. Darüber hinaus gab sie einen wichtigen Impuls für die spätere Entwicklung des theologischen Denkens in der russischen Diaspora.

10.16 An der Schwelle des 20. Jahrhunderts waren die Orthodoxen im Nahen Osten aktiv am kulturellen und wissenschaftlichen Neuaufbruch in der arabischen Welt beteiligt, der gewöhnlich mit dem arabischen Begriff Nahda(Renaissance) bezeichnet wird. Orthodoxe Intellektuelle befürworteten die Idee einer umfassenden arabischen Identität unabhängig von religiösen Differenzen und verbreiteten die Ideale der französischen Aufklärung im Blick auf Bildung, Fortschritt und Wissenschaft. Diese ausgeprägte säkulare Orientierung war grundsätzlich dazu gedacht, eine gemeinsame Plattform mit den Muslimen außerhalb des religiösen Bereichs zu finden und den Weg für ein gesellschaftliches Modell auf der Basis der Vernunft zu ebnen. Was die Kirche anbelangt, erwies sich die Nahda als ein ambivalentes Phänomen: Einerseits trug sie zur Schaffung von Kirchenräten, die vor allem aus Laien bestanden, und zur Errichtung von pädagogischen und humanitären Institutionen wie Schulen und Waisenhäusern bei, andererseits vertiefte sie aber die Kluft zwischen intellektuellen Laien und dem weitgehend ungebildeten Klerus, der weitgehend von der Polemik mit katholischen und protestantischen Missionaren absorbiert war.

10.17 Die Bildung von autokephalen Nationalkirchen in Südosteuropa war eng mit der Gründung von Nationalstaaten im 19. Jahrhundert verbunden. Dabei spielten unterschiedliche, aber miteinander verbundene Faktoren eine Rolle, wie z.B. Territorium, Ethnizität, Staat, Politik und Sprache. Ihre ekklesiologische Relevanz bedarf noch weiterer Klärungen. Die Nationalkirchen sollten die Nationalstaaten beim Aufbau und der Festigung ihrer nationalen Identität unterstützen.

10.18 Die Entwicklung autokephaler Nationalkirchen in Südosteuropa (Griechenland, Serbien, Rumänien, Bulgarien, im 20. Jahrhundert auch in Albanien) folgte unterschiedlichen Modellen, auch wenn es einige gemeinsame Züge gab: Die meisten südeuropäischen Volksgruppen lebten in mehr als einem Land, was zur Folge hatte, dass für jede von ihnen mehrere Kirchenstrukturen entstanden. Zudem wollten die Regierungen der neu entstandenen Nationalstaaten autokephale Kirchen auf ihrem Territorium, was zu Diskussionen darüber führte, ob die Kirche im neuen Staat ihre Beziehung zum Patriarchat von Konstantinopel beenden sollte. Die Bulgaren folgten einem etwas anderen Weg: In ihrem Fall ging die kirchliche Selbstständigkeit, nämlich die Errichtung des bulgarischen Exarchats durch den Sultan, der Unabhängigkeit des bulgarischen Staates voraus.

10.19 Hinsichtlich der Anerkennung der Autokephalie ist zu beachten, dass alle neu entstandenen Kirchen vorher unter der Jurisdiktion des Patriarchats von Konstantinopel standen. Der Ökumenische Patriarch reagierte, zusammen mit den Patriarchen von Alexandrien, Antiochien und dem Erzbischof von Zypern, auf das Streben der Bulgaren nach Autokephalie mit der Verurteilung des Ethnophyletismus auf einer Synode in Konstantinopel 1872; sie lehnten es ab, eine eigene Jurisdiktion für die orthodoxen Bulgaren innerhalb des Osmanischen Reiches zu akzeptieren, weil dadurch das ethnische Prinzip über das territoriale gestellt worden wäre. Dies führte zu einem Bruch der Gemeinschaft, der erst nach dem Zweiten Weltkrieg überwunden werden konnte. Nach der vollständigen Unabhängigkeit der neuen Nationalstaaten erkannte das Ökumenische Patriarchat schließlich die Autokephalie der neuen Nationalkirchen auf der Grundlage des Territorialprinzips an.

10.20 All dies trug dazu bei, dass sich das Verständnis von Autokephalie im Laufe des 19. Jahrhunderts veränderte. Sie wurde nicht mehr als eine Frage der inneren Kirchenordnung betrachtet, sondern wurde zu einem Merkmal der Unabhängigkeit vom Ökumenischen Patriarchat. Kirchliche Autokephalie wurde als eine Parallele zur staatlichen Souveränität verstanden. Eine Folge dieser Entwicklung war die Verwischung der Grenzen zwischen dem ethnischen und dem territorialen Prinzip in der Kirchenstruktur, die zu einem Problem wurde, weil die geographischen Grenzen der ethnischen Gruppen und die Staatsgrenzen nicht immer zusammenfielen.

10.21 Innerhalb der orthodoxen Theologie gab es ständig Debatten über die Bedeutung des ethnischen Prinzips für die Ekklesiologie. Dies geschah vor allem im Zusammenhang mit Diskussionen über die Methode zur Gewährung der Autokephalie für eine orthodoxe Regionalkirche, und bis heute gibt es diesbezüglich keine Einigung. Infolgedessen wurde das Thema von der Tagesordnung des Orthodoxen Konzils in Kreta (2016) genommen, das sich nur mit der Autonomie innerhalb einer autokephalen Kirche befasste.

11. Die Zeit der ekklesiologischen Renaissance (20. und 21. Jahrhundert)

Grundthese: Katholiken und Orthodoxe strebten im 20. Jahrhundert eine Rückkehr zu den Quellen an und bemühten sich um eine Ekklesiologie, die sich stärker am Vorbild der Alten Kirche orientierte. Die Ausarbeitung der eucharistischen Ekklesiologie in der Orthodoxen Kirche hat zu einer theologischen Infragestellung der Bedeutung der ethnischen und nationalen Prinzipien geführt. Die Notwendigkeit einer intensiveren orthodoxen Zusammenarbeit und einer Debatte über die Themen der Moderne und Postmoderne war in vielen orthodoxen Kreisen immer mehr zu spüren. Andererseits haben die Wiederentdeckung der Kirchenväter, die Liturgische Bewegung und die Rezeption der eucharistischen Ekklesiologie es der katholischen Kirche ermöglicht, das enge juridische Verständnis der Kirche zu überwinden. Das findet seinen Niederschlag vor allem in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils wie Sacrosanctum Concilium und Lumen Gentium. Beide Entwicklungen enthalten Elemente, die dazu beitragen können, die ekklesiologischen Divergenzen zwischen Katholiken und Orthodoxen zu überwinden.

11.1 Das Landeskonzil 1917/18 der Russischen Orthodoxen Kirche war eine Reaktion sowohl auf äußere historische Umstände (demokratische Aufbrüche in der Gesellschaft etc.) als auch auf den innerkirchlichen Reformbedarf. Das Konzil bestand nicht nur aus Bischöfen, sondern auch aus Priestern und Laien. Die Entfremdung zwischen Bischöfen und Gemeinden schien so groß, dass dringende pastorale Fragen unter Beteiligung von Priestern und Laien beraten und entschieden werden sollten. Gleichzeitig wurde auch innerhalb der Hierarchie erkannt, dass Priester und Laien in kirchliche Reformprozesse einbezogen werden müssen. Die theologische Begründung für diese Beteiligung war das Konzept der Sobornost’ und das paulinische Bild von der Kirche als dem Leib Christi (1 Kor 12,27).

11.2 Vor dem Hintergrund von 200 Jahren staatlicher Dominanz über die Kirche (der synodalen Epoche) entwickelte das russische Landeskonzil 1917/18 ein Modell der Kirchenleitung, das primatiale (Wiederherstellung des Patriarchats) und synodale Elemente in sich vereinte. Aufgrund der bolschewistischen Revolution konnte dieses Konzept in der russischen Kirche nicht umgesetzt werden. Allerdings kann es noch heute als ein Modell für das Verhältnis von Primat und Synodalität dienen.

11.3 Die verschiedenen orthodoxen Kirchen unterscheiden sich in ihrer internen Organisation, wie sie in den Statuten der einzelnen lokalen Kirchen festgelegt ist. Alle haben im Wesentlichen eine konziliare Struktur mit einer regelmäßig zusammentretenden Synode und einem Primas, der ihr vorsteht. Allerdings sind manche Kirchen sehr zentralistisch organisiert und gestehen dem Patriarchen weitreichende Befugnisse zu, während andere der Synode größere Befugnisse einräumen. Die Bestimmung des Primas findet auf verschiedene Weise statt, manchmal nur durch die Bischofssynode, manchmal durch Einberufung eines Konzils, das den niederen Klerus und die Laien mit einbezieht. Entsprechend gibt es auch bei der Berufung von Bischöfen große Unterschiede, die von einer Wahl ausschließlich durch die Bischofssynode bis hin zur Nominierung durch eine aus Klerus und Laien bestehende Diözesanversammlung mit anschließender Bestätigung durch die Synode reichen. In manchen Kirchen spielen Laien keine Rolle in der Kirchenleitung, während in anderen Laien zusammen mit Priestern eine aktive Rolle spielen.

11.4 So unterschiedlich die lokalen Strukturen sind, so unterschiedlich sind auch die Auffassungen der lokalen orthodoxen Kirchen zum universalen Primat. Diesbezüglich sprechen die Orthodoxen in der Regel vom „Ehrenprimat“ (presbeia tēs timēs)35, aber sie unterscheiden sich darin, wie sie diesen Begriff verstehen. So neigt zum Beispiel die Russische Orthodoxe Kirche dazu, den universalen Primat als reines Ehrenamt zu verstehen, während er für das Patriarchat von Konstantinopel das Recht einschließt, Konzile einzuberufen, Autokephalie zu gewähren, Beschwerden anzuhören, etc. Bezeichnenderweise ist diese Meinungsverschiedenheit im Zusammenhang der Diskussion über Primat und Synodalität mit der katholischen Kirche aufgetaucht, was darauf hinweist, dass diese Frage nicht nur intern für die Orthodoxen, sondern auch für orthodox-katholische Gespräche über Ekklesiologie relevant ist.

11.5 Persönliche Begegnungen mit Vertretern der westlichen Kirchen – teils bedingt durch die russische Emigration nach der bolschewistischen Revolution, teils im Rahmen der ökumenischen Bewegung – veranlassten orthodoxe Theologen im 20. Jahrhundert, vermehrt über das Selbstverständnis der Orthodoxen Kirche nachzudenken. Eines der wichtigsten Ergebnisse dieser Epoche ist das Konzept der „eucharistischen Ekklesiologie“ – zu deren Hauptvertretern Nikolaj Afanas’ev (1893-1966), Alexander Schmemann (1921-83) und Ioannis Zizioulas (*1931) gehören –, das die um den Bischof versammelte Ortskirche zum Ausgangs- und Mittelpunkt der ekklesiologischen Reflexion macht. Diese Vision führte zu vertieften Überlegungen über das Verhältnis von Einheit und Vielfalt innerhalb der Orthodoxen Kirche, was wiederum dazu beigetragen hat, die nationalkirchlichen Engführungen des 19. Jahrhunderts infrage zu stellen.

11.6 Während des 20. Jahrhunderts wuchs innerhalb der Orthodoxen Kirche das Bewusstsein für die Notwendigkeit panorthodoxer Kooperation. Bereits die Enzyklika des Ökumenischen Patriarchats an die orthodoxen Schwesterkirchen aus dem Jahr 1902 gibt Zeugnis davon. Der 1600. Jahrestag des ersten Konzils von Nizäa (1925) gab der Diskussion neue Impulse, ob es im 20. Jahrhundert möglich wäre, ein ökumenisches Konzil einzuberufen. Nach intensiven Debatten während des ersten Kongresses orthodoxer Theologen in Athen (1936) wurde dies verneint.36 Die dringende Notwendigkeit der orthodoxen Zusammenarbeit wurde bei den von Patriarch Athenagoras einberufenen Panorthodoxen Konferenzen (1961-1968) erneut aufgenommen. Hier und bei den weiteren Panorthodoxen Konferenzen wurde eine Agenda für ein künftiges Konzil aller orthodoxen Kirchen erstellt. Die Versammlung der Ersthierarchen der vierzehn autokephalen orthodoxen Kirchen, die im Januar 2016 in Chambésy stattfand, beschloss, ein „Heiliges und Großes Konzil der Orthodoxen Kirche“ einzuberufen, aber kurz vor der Versammlung zogen sich vier Kirchen (Antiochien, Russland, Bulgarien, Georgien) aus verschiedenen Gründen zurück. Trotzdem trafen sich die anderen zehn autokephalen Kirchen an Pfingsten 2016 auf Kreta, und die sechs Dokumente, die in Chambésy zur Diskussion vorgesehen waren, wurden mit einigen Änderungen verabschiedet.37 Während die Dokumente und die Enzyklika des Konzils einige der Probleme behandeln, denen die Orthodoxie im 21. Jahrhundert gegenübersteht, war ein offensichtlich wichtiger Aspekt des Konzils auf Kreta das ernsthafte Bemühen, Synodalität in Theorie und Praxis auszuüben. Während des Konzils auf Kreta wurden Vorschläge gemacht, eine solche Versammlung alle sieben oder zehn Jahre abzuhalten; dies dürfte wohl einer der wichtigsten Beiträge der Versammlung sein.

11.7 In der katholischen Kirche war die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts einerseits durch eine zunehmende Zentralisierung geprägt, die auf einer maximalistischen Interpretation der Papstdogmen des Ersten Vatikanischen Konzils beruhte. Dies kam beispielsweise in der Promulgation eines für alle Katholiken weltweit (aus römischer Sicht sogar füralle Christen) verbindlichen kirchlichen Gesetzbuches (des Codex Iuris Canonici, 1917) zum Ausdruck. Andererseits entwickelten sich in einzelnen Ortskirchen neue kirchliche und theologische Strömungen (z.B. die „Liturgische Bewegung“ in Frankreich, Belgien, Österreich und Deutschland oder die „Nouvelle Théologie“ in Frankreich), die zu einer Wiederentdeckung der Liturgie der Alten Kirche und der Theologie der Kirchenväter führten. Die Protagonisten dieser theologischen Renaissance (z.B. Lambert Beauduin, Odo Casel, Romano Guardini, Pius Parsch für die Liturgische Bewegung; Yves Congar, Jean Daniélou, Henri de Lubac für die Nouvelle Théologie) wurden dazu nicht zuletzt durch ihre Kontakte mit orthodoxen Theologen angeregt, die eine neue Heimat im Westen gefunden hatten. Die theologischen Impulse, die von diesen Kreisen ausgingen, trugen dazu bei, allmählich den engen Zugang zum Papsttum in der katholischen Ekklesiologie des 19. Jahrhunderts zu überwinden, und bereiteten so den Boden für das Zweite Vatikanische Konzil.

11.8 Das Zweite Vatikanische Konzil war von dem Wunsch der Konzilsväter geprägt, „das christliche Leben unter den Gläubigen mehr und mehr zu vertiefen“ und „zu fördern, was immer zur Einheit aller, die an Christus glauben, beitragen kann“ (Sacrosanctum Concilium, 1). Die Konstitution über die Heilige Liturgie war das erste verabschiedete Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils, das schon länger vorbereitete liturgische Anliegen aufnahm und den Wunsch nach Erneuerung des christlichen Lebens zum Ausdruck brachte. Dementsprechend verstand sich das Konzil als ein Pastoralkonzil, das keine Verurteilungen (anathemata) aussprach, sondern vielmehr versuchte, der modernen Welt die kirchliche Lehre positiv darzulegen.38 Obwohl es keine neuen dogmatischen Definitionen gab, sind die Dokumente des Konzils verbindlich und richtungsweisend für die katholische Kirche, aber darüber hinaus sind sie auch ökumenisch relevant.

11.9 Eine der wichtigen Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil war die sogenannte „Aufhebung“ der Bannsprüche von 1054. Am Vorabend des offiziellen Endes des Konzils (7. Dezember 1965) erklärten Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras in parallel stattfindenden Zeremonien im Vatikan und im Phanar, dass sie die Anathemata dem Vergessen anheimgeben. Trotz seiner großen symbolischen Bedeutung reichte dieser Akt nicht aus, um das Schisma aufzuheben, allein schon deshalb weil die Kirchengemeinschaft im Jahr 1054 nicht endgültig zerbrochen ist (vgl. § 8.3).

11.10 Die Konstitution über die Kirche, Lumen gentium, greift zurück auf die Alte Kirche und betont die Sakramentalität der Bischofsweihe und die Bedeutung der Kollegialität der Bischöfe, was zu einer Annäherung der katholischen Ekklesiologie an die orthodoxe führt (vgl. LG 21-22). Obwohl die Konstitution darauf besteht, dass der Papst alle wesentlichen Vorrechte seines Amtes behält, betont sie durch strukturelle Veränderungen die Bedeutung des Bischofsamtes. Gleichwohl werden die Kompetenzen der Bischofskonferenzen nicht klar skizziert. Aus diesem Grund betrachten viele katholische Theologen diese Kompetenzen in ihrer derzeitigen Form als unbefriedigend. Außerdem entspricht die Umsetzung von Lumen gentium im Kirchenrecht nur teilweise den Idealen des Konzils. Diese Diskrepanzen haben innerhalb der katholischen Kirche zu einer fortdauernden Diskussion über das Verhältnis zwischen Primat und Synodalität geführt.

11.11 Das Zweite Vatikanische Konzil hat in seinem Dekret über die katholischen Ostkirchen, Orientalium Ecclesiarum, deren Status innerhalb der katholischen Kirche deutlich aufgewertet. Dennoch gelang es in diesem Dekret nicht, die Bedeutung der katholischen Ostkirchen und ihr Verhältnis zur lateinischen Kirche klar zu definieren. Dies hatte zur Folge, dass der Wunsch der katholischen östlichen Patriarchate und Großerzbistümer, Jurisdiktion auch außerhalb ihrer territorialen Grenzen auszuüben, um die geistlichen Traditionen ihrer ausgewanderten Gläubigen zu bewahren, bis heute umstritten ist. Das ist mit den Problemen der territorialen Jurisdiktion in der orthodoxen Diaspora im Westen vergleichbar. Es lohnt sich zu erwähnen, dass Orientalium Ecclesiarum auf den temporären Charakter seiner juridischen Bestimmungen hinweist, bis die Einheit mit den Orthodoxen wiedererlangt ist (vgl. OE 30).

11.12 Das Zweite Vatikanische Konzil stellte die Frage, wie das Bischofamt verstanden wird und in welcher Beziehung es zum Papstamt steht – eine Frage, die auf dem Ersten Vatikanischen Konzil nicht angesprochen wurde – und versuchte, eine Antwort zu finden. Dabei haben die Konzilsväter die Definitionen des Ersten Vatikanischen Konzils über den päpstlichen Primat aufgegriffen und durch die Betonung der Rolle der Bischöfe ergänzt.39 Bei der Rezeption der Aussagen des Ersten Vatikanischen Konzils wurde damit zugleich eine Reihe von Bedenken über den päpstlichen Primat berücksichtigt, die dort von der Minderheit vorgetragen worden waren. Damit wollte man ein Gleichgewicht zwischen Primat und Kollegialität herstellen.

11.13 Die Rezeption des Ersten Vatikanischen Konzils durch das Zweite Vatikanische Konzil zeigt ein neues Gleichgewicht auf, das das Bischofsamt und die Gemeinschaft der Ortskirchen wieder aufwertet. Das Dekret über den Ökumenismus, Unitatis redintegratio, das eine große Wertschätzung der orthodoxen Kirchen erkennen lässt, ermutigt zu einem „gleichberechtigten“ Dialog, der durch den historischen Zugang erleichtert wird. Darüber hinaus schlägt die von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) veröffentlichte Enzyklika Ut Unum Sint (1995) einen „brüderlichen, geduldigen Dialog“ mit anderen Kirchen darüber vor, welche Formen die Ausübung des römischen Primats in einer wiedervereinten Kirche annehmen könnte.40

11.14 Das Zweite Vatikanische Konzil, an dem auch orthodoxe Beobachter teilnahmen und die Perspektive der orthodoxen Theologie in die Beratung der Vorlagen einbrachten, wurde von orthodoxer Seite im Allgemeinen als ein positiver Schritt in Richtung Konziliarität begrüßt. Aus orthodoxer Sicht ging das Konzil beim Überdenken der vom Ersten Vatikanischen Konzil verkündeten Dogmen der Unfehlbarkeit und des päpstlichen Primats jedoch nicht weit genug. Eine weitere Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils war, dass es orthodoxe Theologen zur Reflexion über Fragen anregte, vor denen ihre eigene Kirche stand, wie die mögliche Einberufung eines panorthodoxen Konzils, und dass es schließlich einen offiziellen theologischen Dialog mit der katholischen Kirche möglich machte.

11.15 Die Geschichte der Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils bis in die Gegenwart zeigt, dass es diesem Konzil noch nicht ganz gelungen ist, die bestehende Neigung zu einer übergroßen Zentralisierung innerhalb der katholischen Kirche auszugleichen. Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer stärkeren Synodalität haben Papst Franziskus dazu geführt, die freie synodale Beratung stärker zu betonen, vor allem durch die Anerkennung der bedeutenden Rolle von Bischofskonferenzen sowie der Bischofssynode. Zudem stellen wir fest, dass die verschiedenen autokephalen und autonomen orthodoxen Kirchen selbst ebenfalls Schwierigkeiten in ihrer Zusammenarbeit und der konkreten Umsetzung der Synodalität haben. Somit stehen Orthodoxe und Katholiken gemeinsam vor der Herausforderung, Primat und Synodalität zu verbinden, und es wäre für beide Kirchen hilfreich und produktiv, diese Fragen gemeinsam anzugehen, um eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden.

IV. Systematische Überlegungen

12. Koinonia/Communio als Grundlage der Ekklesiologie

Grundthese: Die Wiederentdeckung der altkirchlichen Quellen im 20. Jahrhundert hat Katholiken und Orthodoxe zu der Erkenntnis geführt, wie sehr die Kirche sich in der Eucharistie verwirklicht. Das spiegelt sich in dem griechischen Begriff koinonia wider, der sich sowohl auf die sakramentale Gemeinschaft (communicatio in sacris) als auch die Gemeinschaft der Heiligen (communio sanctorum) bezieht. Die eucharistische Gemeinschaft ist Ausdruck des Wesens der Kirche. In der Feier der Eucharistie zeigt sich die Kirche als Volk Gottes, Leib Christi und Tempel des Heiligen Geistes. Wenn die Eucharistie gefeiert wird, ist die Kirche ganz gegenwärtig, aber es ist nicht die ganze Kirche. Die Eucharistie weist daher auch auf die übergreifende Einheit der ganzen Kirche hin. Dieses sakramentale Verständnis der Kirche bildet das theologische Fundament für die Wechselbeziehung von Primat und Synodalität als dem Strukturprinzip der Kirche auf lokaler, regionaler und universaler Ebene.

12.1 Im Neuen Testament wird die Kirche als das neue Volk Gottes (vgl. Apg 13,16-39; 15,13-21; Röm 9,24-30), Leib Christi (vgl. 1 Kor 12,12-27) und Tempel des Heiligen Geistes (1 Kor 6,19) beschrieben. Der Leib Christi ist das bevorzugte Bild des Apostels Paulus für die Kirche, das er auf den eucharistischen Leib Christi bezieht: „Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot“ (1 Kor 10,17). Im Brief an die Kolosser wird der Begriff auch direkt auf die Kirche angewandt: „Er ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche“ (Kol 1,18). Der erste Johannesbrief macht das Verständnis von koinonia/communio im Neuen Testament besonders deutlich: „Was wir also gesehen und gehört haben, das verkündigen wir auch euch, damit auch ihr mit uns Gemeinschaft (koinonia) habt; wir aber haben Gemeinschaft (koinonia) mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus“ (1 Joh 1,3).

12.2 Das neutestamentliche Wort koinonia umfasst eine Vielfalt von Aspekten. Dazu gehören die Gemeinschaft mit Gott durch Jesus Christus, durch die die Gläubigen, die denselben Geist miteinander teilen, zu Kindern Gottes werden, wie auch die Gemeinschaft untereinander. Diese Gemeinschaft mit Gott und miteinander vollzieht sich in der eucharistischen koinonia. Das Miteinanderteilen der Eucharistie ist sichtbarer Ausdruck der vollen Einheit in Christus durch den Heiligen Geist.

12.3 Das Mysterium der Kirche wurzelt im Mysterium der Heiligen Dreieinigkeit (vgl. Joh 17). Die Gemeinschaft mit dem Dreieinigen Gott bildet die Grundlage des Lebens der Kirche. Der Heilige Geist als Quelle und Vermittler der verschiedenen Charismen für den Aufbau der Gemeinschaft (vgl. 1 Kor 12,1-11) ist der Hauptakteur der koinonia. Die trinitarischen Wurzeln der koinonia sind ein gängiger Topos in den Schriften der Kirchenväter.41 Auch die ersten beiden der vier im Glaubensbekenntnis von Nizäa erwähnten Merkmale der Kirche (eine, heilige) leiten sich aus ihrer Gemeinschaft mit dem Dreieinigen Gott ab.

12.4 Die koinonia der Kirche lebt aus der Verkündigung des Evangeliums und der Feier der Sakramente, unter der Leitung der kirchlichen Amtsträger, die zum Dienst an Wort und Sakrament berufen sind. Die Wirklichkeit der Kirche als Teilhabe an Christus im Heiligen Geist erscheint vollständig im Licht des eucharistischen Mysteriums, in dem die koinonia der Kirche erfahrbar wird.

12.5 Gemäß dem gemeinsamen Glauben von Orthodoxen und Katholiken ist die Kirche eine Gemeinschaft getaufter Gläubigen, die im Heiligen Geist um den in der Versammlung gegenwärtigen Christus versammelt sind. Dies erfordert Gemeinschaft unter allen Ortskirchen, die von einem Bischof geleitet werden. Jede Eucharistie feiernde Gemeinde unter dem Vorsitz eines Bischofs oder eines Priesters, der in Gemeinschaft mit dem Bischof steht, ist sich letztlich bewusst, dass sie sich in koinonia mit der ganzen Kirche befindet.

12.6 Die Anerkennung der vollständigen Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums ist die Grundlage für die gegenseitige Anerkennung der Kirchen als Kirche Jesu Christi. Aus katholischer Sicht „baut sich auf und wächst durch die Feier der Eucharistie in diesen Einzelkirchen [den orthodoxen und orientalisch-orthodoxen] die Kirche Gottes“ (UR 15). In der Orthodoxen Kirche gibt es unterschiedliche Positionen hinsichtlich der Anerkennung des Kircheseins und der Gültigkeit der Sakramente der katholischen Kirche, über die es bislang keine volle Übereinstimmung unter den verschiedenen orthodoxen Lokalkirchen gibt

12.7 Das Verständnis der Kirche als koinonia hat nicht nur Konsequenzen für sie selbst und ihr inneres Leben oder für die zwischenkirchlichen Beziehungen. Es impliziert auch eine Beziehung zur „Welt“, d.h. zur Gesellschaft und zu den Menschen, die nicht in der Gemeinschaft der Kirche sind. Einige orthodoxe Theologen verwenden dafür den Begriff der „Liturgie nach der Liturgie“42, was bedeutet, dass die koinonia auch im Alltag der Christen zum Ausdruck kommt und dass die eucharistische Versammlung ihre Fortsetzung – wenn auch auf andere Weise – im Leben der Christen in der Welt findet. Die koinoniader Kirche ermöglicht es Christen, als Christen zu handeln.43 Das christliche Leben in der Welt ist nicht getrennt von der eucharistischen Erfahrung und Zugehörigkeit, sondern ist vielmehr deren Ausweitung in Gottes Schöpfung. Die katholische Kirche hat ähnliche Ansichten in Gaudium et Spes, der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute des Zweiten Vatikanischen Konzils, zum Ausdruck gebracht.

13. Autorität in der Kirche im Dienst der Gemeinschaft

Grundthese: Jeder Dienst an der Einheit der Kirche braucht Autorität, die sowohl primatial als auch synodal ausgeübt werden kann. Eine solche Autorität beruht auf einer Gabe Gottes, dem Charisma der Leitung (vgl. Röm 12,3-8; 1 Kor 12,4-11; Eph 4,7-12), zu dessen Aufgaben die Verkündigung des Glaubens, die Feier der Sakramente, die Bewahrung der Lehre und die Leitung des Volkes Gottes zählen. Die Autorität des „Ersten“ (Primus/Protos) ist eine personale Form von Autorität im Dienst der Gemeinschaft. Christus selbst hat uns ein Beispiel gegeben, wie Autorität zu verstehen ist: als ein Dienst, der die Bereitschaft zur Selbstentäußerung (kenosis) einschließt (vgl. Phil 2,5-11; Mt 23,8-12). Primatiale und synodale Formen der Autorität werden als solche anerkannt durch einen Prozess der Rezeption, der die Autorität des ganzen Volkes Gottes (plērōma) offenbart, das durch seinen „Glaubenssinn“ (sensus fidelium) die rechte Lehre bewahrt.

13.1 In jeder menschlichen Gemeinschaft gibt es die Phänomene von Autorität und Macht. Man muss zwischen diesen beiden Phänomenen unterscheiden. Autorität hat mit dem Einfluss einer Person oder Institution zu tun, der auf Tradition oder Kompetenz und dem daraus erwachsenden Ansehen beruht. Macht hingegen hängt mit der Fähigkeit zusammen, bestimmte Mittel und Verfahren einzusetzen, um Entscheidungen herbeizuführen. Beide können allzu leicht missbraucht werden.

13.2 In der Kirche kommt den Begriffen Autorität und Macht eine bestimmte Bedeutung zu. Macht (dynamis) erscheint zuerst als Attribut Gottes (vgl. Offb 7,12). Die biblischen Texte zeigen seine Macht über alle „Götter“ und über die Schöpfung (vgl. Ps 82,1). In diesem Sinn kann seine höchste Macht mit Gottes Herrlichkeit identifiziert werden (vgl. Ps 63,2; Hebr 1,3). Diese Macht bezieht sich immer auf seine Liebe zu Israel und zur gesamten Menschheit, seine Gabe der Erlösung, seine Vergebung und vor allem seine Barmherzigkeit (vgl. Hos 2,19). Das Neue Testament geht davon aus, dass Gottes Macht in Jesus wirkt (vgl. 1 Kor 1,24). Der auferstandene Christus, der von Gott alle Autorität (exousia) empfangen hatte, ermächtigte die Apostel in und durch seinen Heiligen Geist (vgl. Mt 28,18-19). Gemäß dem Gebot Jesu darf Autorität in der Kirche nicht als Herrschaft verstanden werden, sondern als Dienst am Volk Gottes, der auf der Kraft des Kreuzes basiert.

13.3 In der Kirche gibt es Personen mit unterschiedlichen Gaben, die in verschiedenen Bereichen Autorität erhalten und ausüben, wie Eph 4,11 zeigt: „Und er gab den einen das Apostelamt, andere setzte er als Propheten ein, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer.“ Das legt nahe, dass Autorität in der Kirche immer in die Gemeinschaft eingebunden sein sollte. Das gilt für das ordinierte Amt, vor allem für das Bischofsamt, das im Laufe der Jahrhunderte eine besondere Bedeutung für das Leben der Kirche erlangt hat. Persönlichkeiten wie Starez Siluan vom Berg Athos und Mutter Teresa belegen jedoch, dass geistliche Autorität kein ordiniertes Amt voraussetzt.

13.4 Da Christus das Haupt der Kirche ist, ist er die Quelle aller Autorität innerhalb der Kirche, ganz gleich ob diese von einem (dem Primas), von einigen (der Synode) oder von allen (dem Volk Gottes) ausgeübt wird. Die Autorität einer Synode und desjenigen, der ihr vorsteht, wurzelt im Geheimnis der Kirche als dem Leib Christi im Heiligen Geist. Als eine wesentliche Dimension der Kirche spiegelt die Synodalität ihr Geheimnis wider und ist als solche mit der Autorität des ganzen Volkes Gottes verbunden, das durch seinen vom Heiligen Geist erweckten und getragenen „Glaubenssinn“ in der Lage ist zu erkennen, was wirklich von Gott ist.

13.5 Jede Ausübung von Macht in der Kirche ist nur sinnvoll, wenn sie nach dem Vorbild des gekreuzigten Christus als Dienst und nicht als Dominanz über andere ausgeübt wird (vgl. Mk 10,42-45 par; Joh 13,1-17). Das gilt auch für die Ausübung des Primats auf den verschiedenen Ebenen. Die Mittel, die den Inhabern eines Primats dafür zur Verfügung stehen, dürfen nur in diesem Geist verwendet werden. Dies schließt eine Rechenschaftspflicht gegenüber der Gemeinschaft auf den verschiedenen Ebenen ein.

14. Theologische Deutung des Primats

Grundthese: Christus ist das alleinige Haupt der Kirche. Er ist das Vorbild für alle, die ein Leitungsamt in der Kirche ausüben. Die Heilige Schrift bezeugt, dass die Formen der Leitung, wie veränderlich auch immer sie gewesen sein mögen, dennoch von Anfang an für die christlichen Gemeinschaften unentbehrlich waren. Die patristischen Zeugnisse weisen ab dem 2. Jahrhundert auf die Tatsache hin, dass das Charisma des Vorsitzes einer Person anvertraut wurde, deren spezifische Aufgabe es war, die Einheit der Kirche zu bezeugen, zu fördern und zu wahren. Diese Aufgabe wird auf den verschiedenen Ebenen des kirchlichen Lebens auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichen Akzenten wahrgenommen.

14.1 Im Neuen Testament zeigen eine Reihe von Aussagen, dass es in den christlichen Gemeinden von Anfang an Leitende gab. In einem der ältesten dieser Texte fordert der Apostel Paulus die Gemeindemitglieder dazu auf, ihre Vorsteher (proistamenoi) anzuerkennen und zu respektieren: „Wir bitten euch, Brüder: Erkennt die unter euch an, die sich solche Mühe geben, euch im Namen des Herrn zu leiten und zum Rechten anzuhalten“ (1 Thess 5,12). Andere Stellen verdeutlichen die Existenz von frühen Formen des Amtes, das von Personen ausgeübt wurde, die Bischof oder Diakon genannt wurden (z.B. Apg 20,28; Phil 1,1). Das Neue Testament liefert kein einheitliches Bild dieser Ämter und lässt viele Fragen bezüglich ihrer genauen Funktion offen.

14.2 Gemäß dem Neuen Testament wählte Jesus während seines irdischen Wirkens die Zwölf als seine ständigen Begleiter, gab ihnen Macht (dynamis) und Autorität (exousia), das Evangelium zu verkündigen, Krankheiten zu heilen und böse Geister zu vertreiben (Lk 9,1) und verhieß, sie würden die eschatologischen Richter über Israel sein (vgl. Mt 19,28; siehe auch Offb 21,12). Drei von ihnen, Petrus, Johannes und Jakobus, hatten eine Sonderstellung, insofern sie Jesus bei besonderen Gelegenheiten begleiten durften wie bei der Verklärung (Mk 9,2-10 par) oder vor seiner Gefangennahme im Garten Getsemani (Mk 14, 32-42). Paulus bezeugt, dass Jakobus, der „Bruder des Herrn“, sowie Petrus und Johannes als die „Säulen“ der Gemeinschaft in Jerusalem angesehen wurden (Gal 2,9).

14.3 Petrus fungiert als besonderer Zeuge der Auferstehung im Rahmen des ältesten christlichen Glaubensbekenntnisses, das im ersten Brief des Paulus an die Korinther zu finden ist: „und er (der auferstandene Christus) erschien dem Kephas, dann den Zwölf“ (1 Kor 15,5). Trotz offensichtlicher Unterschiede stimmen die Evangelien darin überein, dass Petrus eine besondere Rolle im Kreis der Jünger zukam. So gibt ihm Jesus im Lukasevangelium den Auftrag, seine Brüder zu stärken (Lk 22,32) und befiehlt ihm im Johannesevangelium, die Lämmer und Schafe zu weiden (Joh 21,15-19). In der ersten Passage gehören die Worte Christi zum letzten Abendmahl; die zweite Stelle erinnert an die Eucharistie. Zugleich verschweigen die Evangelisten keineswegs die Schwächen des Petrus, sondern heben sie sogar besonders hervor: Petrus verleugnet den Herrn dreimal und ist auf seine Vergebung angewiesen (Lk 22,34.61-62). Im Matthäusevangelium findet diese Dialektik von Sonderstellung und Schwäche ihren Höhepunkt: Petrus, dem die Schlüssel des Himmelreiches anvertraut werden sollen (Mt 16,19), wird als „Satan“ bezeichnet, als er versucht, den Herrn davon abzuhalten, den Weg des Kreuzes zu gehen (Mt 16,21-23). Obwohl er in eine Debatte mit Paulus über die Gemeinschaft mit nicht-jüdischen Christen involviert war (vgl. Gal 2,11-21), genießt Petrus besonderen Respekt und dient als Vermittler bei Spannungen und Konflikten (vgl. Apg 15,6-14).

14.4 Schon sehr früh wurde die Kirche von Rom mit Petrus und Paulus in Verbindung gebracht, die in Rom Zeugnis für Christus abgelegt und das Martyrium erlitten haben (vgl. § 7.2). Die Verehrung ihrer Gräber in Rom bildete, zusammen mit der Bedeutung Roms als Reichshauptstadt, die Grundlage für die Sonderstellung, die der Kirche von Rom und damit auch ihrem Bischof ab dem 3. Jahrhundert zuerkannt wurde.

14.5 Die Sonderstellung des Petrus innerhalb des Kollegiums der Zwölf, die in der Heiligen Schrift bezeugt ist, spiegelt sich auch in der gottesdienstlichen Tradition wider und wird gewöhnlich mit der besonderen Rolle des Paulus für die Heidenmission in Verbindung gebracht. Sowohl im römischen als auch im byzantinischen Ritus wird das Gedächtnis des Apostels Petrus zusammen mit dem des Apostels Paulus am 29. Juni begangen. Im römischen Ritus ist es ein Hochfest; in der späteren byzantinischen Tradition geht dem Apostelfest eine besondere Fastenzeit voraus, die die Sonderstellung dieser beiden Apostel betont.

14.6 In den Briefen des Ignatius von Antiochien, die auf das 2. Jahrhundert zurückgehen, erscheint der Bischof als Garant der Einheit der Kirche. Das ist wahrscheinlich im Hinblick auf die Sorge des Autors zu verstehen, dass die Generation der Apostel und ihrer unmittelbaren Jünger vergangen ist. Zudem sitzt für Cyprian von Karthago (+ 258) jeder Bischof als Nachfolger der Apostel auf dem „Stuhl Petri“. Die vom Matthäus-Evangelium bezeugte Sonderstellung des Petrus ist für Cyprian ein Hinweis auf die Einheit des Episkopats.44 Das Bischofsamt wurde schließlich als eine Möglichkeit gesehen, das apostolische Erbe weiterzuführen und es zu vergegenwärtigen.

14.7 Der ekklesiale Status des Primats auf regionaler Ebene wird im Apostolischen Kanon 34 (vgl. § 7.4) beschrieben. Obwohl der Kanon etwas vage formuliert ist, weil die Situation zum Teil von Region zu Region verschieden war (z.B. die unterschiedliche Ausübung des Primats in Alexandrien und Antiochien), spiegelt er die Hoffnungen und Sehnsüchte des 4. Jahrhunderts wider. Von Kanon 34 lernen wir etwas, das für die Dynamik des Primats unabdingbar ist – die gegenseitige Abhängigkeit des protos und seiner Synode.

14.8 Die Einheit der Kirche zu bewahren, liegt in der Verantwortung aller ihrer Mitglieder. Dennoch sollte der „Erste“ unter ihnen sich par excellence darum kümmern. Eine solche Aufgabe der Leitung umfasst die Vermittlung zwischen unterschiedlichen Positionen, die Bewahrung des Gleichgewichts zwischen Einheit und Vielfalt und eine Rechenschaftspflicht. Die Worte Jesu beziehen sich auf die Ausübung dieses Amtes: „Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein“ (Mk 9,35).

14.9 Mit der Entwicklung der kirchlichen Strukturen und der Unterscheidung ihrer verschiedenen Ebenen wurde auch die Ausübung des Primats anspruchsvoller. Jedoch bleibt er für jede Ebene der Kirche bis heute von Belang: Ortsgemeinde, Diözese/Eparchie, Kirchenprovinz/Metropolie, Patriarchat und Universalkirche. Die Ausübung des Primats variiert entsprechend den verschiedenen Ebenen der Kirche. So ist der Primat in einer regionalen Kirche nicht derselbe wie der eines Bischofs in seiner Diözese, denn in der Diözese kommt dem Bischof ein besonderes Amt zu als demjenigen, der die Gemeinschaft zwischen seiner Kirche und den anderen Ortskirchen verbürgt.

14.10 Es ist unbedingt erforderlich, den konkreten historischen Kontext jeder Aussage über den Primat zu berücksichtigen, ihre Entstehungsgeschichte, ihre Bedeutung in ihrer Zeit, aber auch ihre Wirkungsgeschichte. Was den Bischof von Rom betrifft, muss zwischen dem Jurisdiktionsprimat und der Unfehlbarkeit unterschieden werden. Infolge der Definition des Jurisdiktionsprimats nahm die Bedeutung des Römischen Stuhls in der Zeit nach dem Ersten Vatikanischen Konzil zu. Hinsichtlich der Unfehlbarkeit ist es wichtig zu beachten, dass die römischen Päpste in den fast anderthalb Jahrhunderten seit dem Ersten Vatikanischen Konzil nur einmal von der Proklamation ex cathedra Gebrauch machten, nämlich bei der Proklamation des Dogmas von der Aufnahme Mariens in den Himmel (1950).

14.11 Ein besseres Verständnis des katholischen Primatskonzepts auf universaler Ebene könnte durch eine deutlichere Unterscheidung zwischen der einzigartigen Stellung des Papstes in der katholischen Kirche und seiner möglichen Funktion als Primas innerhalb der weltweiten Gemeinschaft der Christen erreicht werden. Die Rolle des Bischofs von Rom im ersten Jahrtausend – wie in Kapitel 7 dieses Dokuments und in den Dokumenten von Ravenna und Chieti der Internationalen orthodox-katholischen Kommission beschrieben – bietet einen hilfreichen Ausgangspunkt in dieser Frage.

15. Theologische Deutung der Synodalität

Grundthese: Die Heilige Schrift und die kirchliche Tradition legen Zeugnis davon ab, dass die Kirchenleitung auf einem synodalen Prinzip beruht, wie es beispielsweise in der Gemeinschaft der Apostel und den lokalen Synoden der Alten Kirche zum Ausdruck kommt. Dieses synodale Prinzip muss auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens entsprechend dem jeweiligen Verantwortungsbereich zum Tragen kommen.

15.1 Das synodale Prinzip hat als Paradigma das Jerusalemer Apostelkonzil (Apg 15). Die Apostelgeschichte beschreibt, wie „die Apostel und die Ältesten“ (Apg 15,6), die mit dem Problem der Beschneidung konfrontiert waren, das die Gemeinde zu spalten drohte, sich in Jerusalem unter dem Vorsitz von Jakobus versammelten. Dabei wurde das anstehende Problem offen diskutiert. Die letztendlich getroffene Entscheidung, dass die Beschneidung nicht aufgezwungen werden könne (Apg 15,28), diente der Gemeinschaftsbildung. Man kann das synodale Prinzip auch vorweggenommen sehen in der Versammlung der „120 Brüder“, bei der Matthias anstelle von Judas in den Kreis der Apostel aufgenommen wurde (vgl. Apg 1,15-26).

15.2 Regionale Synoden gibt es seit den Debatten über den Montanismus gegen Ende des 2. Jahrhunderts. Nach Irenäus von Lyon manifestiert sich die Apostolizität in der Übereinstimmung der auf der ganzen Welt verstreuten Kirchen. Sie wurde von den jeweiligen Bischöfen zum Ausdruck gebracht, die er als Nachfolger der Apostel betrachtete.45 Cyprian von Karthago lenkt die Betonung von der Tradition, die von den Bischöfen gewahrt wird, auf den kollegialen Charakter des Episkopats, dessen apostolisches Amt sich nötigenfalls im Konzil manifestiert.46 Für Cyprian ist die Kirche „innig vereint und durch das Band der miteinander aufs engste zusammenhängenden Bischöfe fest verkittet“.47 Mit dem 3. Jahrhundert ist das (lokale oder regionale) Kirchenkonzil im Osten und Westen allgemein anerkannt als Hauptinstrument, durch das, falls erforderlich, die Einheit der Kirche in der apostolischen Tradition realisiert und bewahrt wird. Nach dem Sieg von Konstantin über Kaiser Licinius (324) wurde die Einberufung eines ökumenischen Konzils möglich.

15.3 Die Synoden der Alten Kirche, vor allem die sieben ökumenischen Konzile, die von Orthodoxen und Katholiken gleichermaßen anerkannt werden, waren außerordentliche Ereignisse, die durch dringende Umstände erforderlich gemacht wurden, vor allem durch die Notwendigkeit, auf Häresie zu reagieren und sich mit wichtigen Problemen der Einheit der Kirche auseinanderzusetzen. Solche Konzile sollten nicht in erster Linie unter institutionellen Aspekten betrachtet werden, sondern vielmehr als verbaler Ausdruck des Geistes der Kirche zu sehr spezifischen Themen. Synoden gelten allgemein als verbindlich in Fragen der Lehre, Liturgie und Disziplin, insofern sie den Glauben der Kirche zum Ausdruck bringen.

15.4 Die Synode ist die wichtigste Instanz, welche die wesentliche Einheit der Kirche in bestimmten Kontexten und als Reaktion auf besondere Umstände manifestieren kann. Den Bischöfen als Nachfolgern der Apostel wurde die Verantwortung übertragen, sich zu Fragen der Lehre und der Kirchenordnung zu äußern, wobei sie in besonderer Weise den Glauben ihrer Gemeinschaften ausdrücken. Das ganze Gottesvolk, vor allem aber die Bischöfe, sind mit der Bewahrung und Weitergabe der apostolischen Verkündigung betraut in Übereinstimmung mit 1 Joh 1,3: „Was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir euch.“

15.5 Die in einer Synode versammelten Bischöfe haben keine Befugnis, über die apostolische Lehre (depositum fidei / paradosis) hinauszugehen. Ihre Aufgabe besteht im Wesentlichen in geistlicher Unterscheidung, Bestätigung und Artikulation des Glaubens: Sie beurteilen, was im Blick auf ein bestimmtes Thema zur apostolischen Tradition gehört, bekräftigen diese Tradition und verkünden sie.

15.6. Die frühesten Sammlungen von Kanones (aus dem 4. Jahrhundert) entfalten das Prinzip der Synodalität auf vielfältige Weise, zum Beispiel: das Beharren darauf, dass ein Bischof von mindestens drei anderen Bischöfen ordiniert werden muss48; die Notwendigkeit, dass die Bischöfe in jeder Region die Autorität eines „Ersten“ anerkennen, damit Einmütigkeit zwischen ihm und den anderen Bischöfen aufrechterhalten werden kann49; oder die Vorschrift, dass in jeder Metropolie regelmäßige Konzile abgehalten werden „zum Wohl der Kirche und zur Beilegung von Streitigkeiten“50.

15.7 Im Laufe der Zeit haben die Kirchen noch andere Formen synodaler Beratung entwickelt, die sich aus aktuellem Anlass mit Fragen der Lehre und Kirchenordnung befassen und von Synoden (ob lokal, regional oder universal) zu unterscheiden sind. Dazu zählt beispielsweise die Ständige Synode von Konstantinopel (synodos endēmousa), die aus den Bischöfen bestand, die aus verschiedenen Gründen in Konstantinopel anwesend und damit in der Lage waren, sich kurzfristig zu versammeln, wenn eine konziliare Reaktion erforderlich war. Eine Reihe von orthodoxen autokephalen Kirchen hat in der Neuzeit ein System eingeführt, bei dem die betreffenden Kirchen durch eine ständige Synode der Bischöfe und anderer Beauftragter verwaltet und geleitet werden.

15.8 Synodale Formen und Prozesse gehören zum Selbstverständnis sowohl der katholischen als auch der orthodoxen Kirche. Die Kirche hat in ihrer Geschichte, trotz spürbarer Veränderungen im Laufe der Zeit und zwischen unseren beiden Traditionen, niemals ohne das Bewusstsein der Synodalität existiert.

16. Primat und Synodalität im Dienst der Gemeinschaft

Grundthese: Eine auf der Eucharistie basierende Ekklesiologie muss sich der Gleichursprünglichkeit und der Komplementarität des primatialen und des synodalen Prinzips bewusst sein. In der kanonischen Tradition spiegelt sich dies zum Beispiel im Apostolischen Kanon 34 wider. Primat und Synodalität sind keine fakultativen Formen kirchlicher Verwaltung, sondern gehören voll und ganz zum Wesen der Kirche, denn beide sind dazu bestimmt, die Gemeinschaft auf allen Ebenen zu stärken und zu vertiefen. Sowohl theologisch als auch kanonisch ist es daher nicht möglich, die Frage des Primats ohne die Frage der Synodalität zu behandeln oder den Primat zu ignorieren, wenn man sich mit der Synodalität befasst.

16.1 Jesus Christus ist das Haupt der Kirche (vgl. Eph 1,22) und deshalb „hat er in allem den Vorrang“ (Kol 1,18). Diese lebendige, organische Einheit des Hauptes und des Leibes äußert sich im Leben der Kirche im Zusammenwirken von Primas und Synode. Jede Form des kirchlichen Primats ist von ihrem Wesen her keine Herrschaft über die Kirche, sondern ein Dienst in ihr, der Jesus Christus, dem Haupt der Kirche, untergeordnet ist (vgl. § 13.2 und 5).

16.2 Sowohl die Praxis der Eucharistiefeier als auch die kanonische Tradition zeigen, dass Primat und Synodalität voneinander abhängig sind. In der Eucharistie, der grundlegenden Ausdrucksform des ganzen kirchlichen Lebens, stehen die Gemeinschaft und der proestos, der ihr vorsteht (der Bischof oder ein von ihm delegierter Priester) in einer wechselseitigen Beziehung: die Gemeinschaft kann die Eucharistie nicht ohne einen proestos feiern, der wiederum nicht ohne eine Gemeinschaft feiern sollte. In der kanonischen Tradition erhält die Beschreibung der Korrelation zwischen dem „Ersten“ und den anderen Bischöfen auf regionaler Ebene eine feste Form im Apostolischen Kanon 34 (vgl. §§ 7.4 und 14.7): Die Bischöfe jeder Provinz können nichts Wichtiges unternehmen ohne die Zustimmung ihres Oberhauptes, das seinerseits nichts tun kann ohne die Zustimmung aller. Primat und Synodalität dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Sie müssen vielmehr als untrennbar und einander ergänzend im Dienst an der Einheit der Kirche Gottes betrachtet werden.

16.3 Im ersten Jahrtausend waren die primatialen Institutionen auf allen Ebenen der Kirche in synodalen Strukturen verwurzelt. In verschiedenen historischen Kontexten blieb der Primat eine verbreitete Tatsache, in der das Verhältnis zwischen einer Versammlung und ihrem Vorsteher zum Ausdruck kommt – mit unterschiedlichen Grundlagen und Funktionsweisen auf den verschiedenen Ebenen, auf denen es in der Kirche Gemeinschaft gibt. Zu Recht kann man daher weder den Primat ohne Synodalität verstehen noch sich mit Synodalität befassen und den Primat ignorieren.

16.4 Es besteht eine Analogie, aber keine Identität im Verhältnis zwischen Primat und Synodalität auf den verschiedenen Ebenen der Kirche: lokal, regional und universal. Weil das Wesen des Primats und der Synodalität hierbei jeweils unterschiedlich ist, variiert auch die Dynamik zwischen Primat und Synodalität dementsprechend. So sind z.B. Primat und Synodalität auf der regionalen Ebene nicht dasselbe wie auf der Diözesanebene. Im Blick auf die diözesane Synodalität kommt dem Diözesanbischof ein besonderes Charisma zu, aufgrund dessen er der Bürge der Gemeinschaft zwischen seiner Kirche und den anderen lokalen Kirchen ist. In ähnlicher Weise spiegelt das Zusammenspiel von Primat und Synodalität auf der universalen Ebene nicht direkt diejenige auf der lokalen oder regionalen Ebene wider. Hier ist eine weitere theologische Untersuchung nötig. Das Fehlen einer gemeinsamen orthodoxen Position zum Primat auf der universalen Ebene erschwert den orthodox-katholischen Dialog in dieser Hinsicht ebenso wie das Fehlen einer klaren Synodalstruktur in der katholischen Kirche.

16.5 Ein wichtiger Aspekt im Verhältnis zwischen Primat und Synodalität ist die Frage, wie man einen engen Zusammenhang zwischen der Gemeinschaft der Kirchen und der Kollegialität der Bischöfe bewahren kann. Die Bischöfe sind Zeugen des Glaubens ihrer Kirchen, aber sie tragen auch Verantwortung für die Kirche als Ganze. Dieses Charisma, das im Sakrament der Bischofsweihe ausgedrückt wird, macht die Bischöfe zu Dienern der ganzen Gemeinschaft – nicht nur ihrer eigenen Ortskirche, sondern auch der zwischen den Ortskirchen, wie durch die Handauflegung der konzelebrierenden Bischöfe angedeutet wird.

16.6 Die Synodalität als sichtbarer Ausdruck der Katholizität der Kirche bezieht sich nicht nur auf die kirchliche Hierarchie, sondern auch auf das ganze Gottesvolk. Auf diese Weise kommt die Einheit der „Ersten“ und ihrer Gläubigen auf den verschiedenen Ebenen des kirchlichen Lebens zum Ausdruck, da die Verantwortung für die Kirche bei allen ihren Gliedern liegt. Dass Laien als Berater sowohl zu den Bischofssynoden der katholischen Kirche über Familienfragen (2015 und 2016) als auch zum Orthodoxen Konzil in Kreta (2016) eingeladen wurden, sagt diesbezüglich viel aus. Laien können durch ihre Spiritualität und Sachkenntnis die synodalen Überlegungen bereichern.

16.7 In der Kirchengeschichte lassen sich zwei ekklesiologische Tendenzen erkennen: eine synodale vor allem, aber nicht ausschließlich, im Osten und eine primatiale vor allem, aber nicht ausschließlich, im Westen. Sie können in einer kreativen Spannung nebeneinander bestehen. Jede Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche erfordert auf beiden Seiten eine Stärkung der synodalen Strukturen und ein erneuertes Verständnis eines universalen Primats, die beide der Gemeinschaft unter den Kirchen dienen.

V. Fazit

Zusammenfassung

17.1 In ihrer bisherigen Arbeit sind die orthodoxen und die katholischen Mitglieder des Gemeinsamen orthodox-katholischen Arbeitskreises St. Irenäus einander im Geist der Freundschaft begegnet und haben den intellektuellen Austausch untereinander gepflegt. Sie glauben, dass sie im Laufe von 14 Jahren große Fortschritte in ihrem Bemühen gemacht haben, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen, einander besser zu verstehen und über diejenigen Grenzen hinauszuschauen, die lange die Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft zwischen ihren Kirchen verhindert haben.

17.2 Das war auch deshalb möglich, weil die Mitglieder versucht haben, eine Methode anzuwenden, bei der historische Aussagen so interpretiert werden, dass ihr jeweiliger Kontext berücksichtigt wird, anachronistische Auslegungen, die spätere Streitigkeiten in eine frühere Zeit hineinlesen, vermieden werden, und untersucht wird, wie bestimmte Ausdruckweisen ursprünglich verstanden wurden und worin ihr bleibender Wert besteht.

17.3 Die Mitglieder haben diese Herangehensweise für ihre Untersuchung eines breiten Spektrums von Fragen übernommen, die in 16 Grundthesen zusammengefasst wurden. Sie beginnen mit der Bedeutung der Hermeneutik für den ökumenischen Dialog. Dabei sind sie folgenden Grundprinzipien gefolgt: 1) Sprache ist wichtig, und Worte nehmen zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedliche Bedeutungen an; 2) Die Dogmen, an denen Katholiken und Orthodoxe festhalten, müssen in ihrem jeweiligen Kontext untersucht werden im Bemühen darum, zwischen dem Gesagten und dem Gemeinten zu unterscheiden; 3) Die unterschiedlichen Zugänge zum Kirchenrecht müssen ebenso beachtet werden wie die Frage, bis zu welchem Maß gewisse Kanones, die vor mehreren Jahrhunderten verfasst wurden, in der heutigen globalisierten Welt noch anwendbar sind; 4) Zudem muss die Rolle der nichttheologischen Faktoren bei der Untersuchung unserer Trennung berücksichtigt werden; 5) Tatsächlich ist ein historisches Bewusstsein von wesentlicher Bedeutung für ein angemessenes Verständnis der theologischen Traditionen in Ost und West. Die Vergangenheit darf weder idealisiert noch verharmlost werden, und es muss klar unterschieden werden zwischen den Idealen, die die Kirchen formulieren, und der konkreten menschlichen Wirklichkeit, in denen diese Ideale gelebt werden.

17.4 Der Irenäuskreis hat diese Herangehensweise auch angewendet bei seiner Studie über die Geschichte der wachsenden Unterschiede zwischen Ost und West im ersten Jahrtausend und die unterschiedlichen Richtungen, die diese nach dem Verlust der vollen Gemeinschaft mit den anderen eingeschlagen haben. Die Zeit vor dem Konzil von Nizäa (325) ist von besonderer Bedeutung und könnte Elemente für ein tragfähiges Modell liefern, um mit schwierigen Themen in den Kirchen heute umzugehen. Sowohl Primat als auch Synodalität spielten in den frühen Jahrhunderten eine Rolle, aber im Blick auf das Verhältnis zwischen beiden gab es kein einziges Modell, das allgemein akzeptiert wurde. Die Zeit der Entfremdung zwischen Katholiken und Orthodoxen vom 9. bis zum 15. Jahrhundert lag zu einem großen Teil in gegenseitiger kultureller Entfremdung begründet und die Entwicklungen, die sie durchliefen, waren stark von den politischen und sozialen Gegebenheiten beeinflusst, denen sie sich zu stellen hatten. Konfessionelle Identitäten von Katholiken und Orthodoxen verhärteten sich in der Zeit der Konfessionalisierung (16.-18. Jahrhundert), als Katholiken und Protestanten ihre missionarische Arbeit intensivierten. Dieser Prozess erreichte im 19. Jahrhundert seinen Höhepunkt, als Katholiken und Orthodoxe auf sehr unterschiedliche Herausforderungen reagieren mussten. Der Irenäuskreis hat sich intensiv mit dem historischen und theologischen Kontext der umstrittenen Lehren des Ersten Vatikanischen Konzils bezüglich der Unfehlbarkeit und der universalen Jurisdiktion des Papstes befasst. In derselben Zeit wurden im Osten neue autokephale Kirchen als Reaktion auf die politischen Umwälzungen in Südosteuropa gegründet. Mit der ekklesiologischen Renaissance im 20. Jahrhundert erlebten die katholische und die orthodoxe Kirche wieder einen Prozess der Annäherung, der dank der Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils sowie paralleler Entwicklungen in der orthodoxen Theologie in Gang kam. Die Mitglieder des Irenäuskreises sind davon überzeugt, dass die jetzige Periode gegenseitiger Beziehungen die hoffnungsvollste seit Jahrhunderten ist.

17.5 Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen hat der Irenäuskreis über bestimmte systematische Fragen nachgedacht, die das Verhältnis zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche betreffen. Der Kreis erkennt die zentrale Bedeutung der Eucharistie als primärer Verwirklichungsform von Kirche an – und zwar sowohl als Manifestation ihrer Einheit als auch der verschiedenen Rollen, die Einzelpersonen in ihr spielen. Das Zusammenspiel zwischen Vorsteher und Versammlung bei der Eucharistie stellt auch die theologische Grundlage für ein erneuertes Verständnis von Primat und Synodalität in der Kirche dar, aber auch von Autorität, die immer im Dienst der Gemeinschaft stehen muss, egal ob sie primatial oder synodal ausgeübt wird. Sowohl die Schrift als auch die Tradition bezeugen, dass es ein primatiales Amt braucht, um der Einheit der Kirche auf den verschiedenen Ebenen zu dienen. Aber sie bezeugen auch die Notwendigkeit der Synodalität auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens. Die Komplementarität dieser beiden Grundsätze ist von zentraler Bedeutung für ein vertieftes theologisches Verständnis der Kirche, das die orthodox-katholische Versöhnung erleichtern wird.

Vision für die Zukunft

17.6. Die Mitglieder des Irenäuskreises sind sich bewusst, dass sie noch keine endgültigen Empfehlungen aussprechen können, die eine Grundlage für die Wiederherstellung der vollen Kirchengemeinschaft bilden würden. Dennoch glauben sie, dass der orthodox-katholische Dialog auf dem Weg zur Einheit ist und dass es schon jetzt möglich ist, die groben Umrisse einer vollständig vereinten katholischen und orthodoxen Kirche zu erkennen. Sie sind überzeugt, dass jede Vision für die Zukunft ein nuanciertes Modell von Gemeinschaft ausarbeiten und dabei berücksichtigen sollte, dass die Verwirklichung dieses Modells nur schrittweise erfolgen kann. Eine Entwicklung in Richtung Versöhnung zwischen Katholiken und Orthodoxen impliziert nicht notwendigerweise die sofortige Lösung aller noch offenen Fragen, wohl aber eine gemeinsame Herangehensweise auf dem Weg zu diesem Ziel.

17.7 Bei ihren Überlegungen haben sie auch die Arbeit der Nordamerikanischen orthodox-katholischen Konsultation zur Kenntnis genommen, vor allem die gemeinsame Erklärung von 2010, „Schritte zu einer wiedervereinten Kirche: Entwurf einer orthodox-katholischen Zukunftsvision“.51 Wie die Nordamerikanische Konsultation glauben die Mitglieder, dass die Unterschiede, die ihre Kirchen seit Jahrhunderten voneinander getrennt haben, nicht unüberwindbar sind. Alle diese Unterschiede bedürfen weiterer intensiver Untersuchungen mit einer streng hermeneutischen Herangehensweise, um zu bestimmen, ob diese Unterschiede tatsächlich die Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft verhindern oder ob sie Beispiele für legitime Vielfalt sind. Vor allem müssen die Kirchen danach streben, ein besseres Gleichgewicht zwischen Synodalität und Primat auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens zu erreichen, und zwar durch eine Stärkung synodaler Strukturen in der katholischen Kirche und durch die Akzeptanz eines gewissen Primats innerhalb der weltweiten Gemeinschaft der Kirchen in der orthodoxen Kirche.

17.8 Der Irenäuskreis ist sich bewusst, dass die größte Herausforderung in diesem Prozess darin besteht, die genaue Rolle des Bischofs von Rom innerhalb einer wiederhergestellten Gemeinschaft unserer Kirchen zu definieren. Die Mitglieder unserer Gruppe sind davon überzeugt, dass der Bischof von Rom eine größere Rolle dabei spielen kann und sollte, die Einheit der Christen in der heutigen Welt zum Ausdruck zu bringen. Dafür muss eine neue Definition des Verhältnisses zwischen der Kirche von Rom und den Kirchen des Ostens ausgearbeitet werden – in einer Weise, die der Tradition der ungeteilten Kirche treu bleibt und für Katholiken und Orthodoxe gleicherweise annehmbar ist. Das erfordert eine Relecture der Lehren des Ersten Vatikanischen Konzils und ein neues Nachdenken über sie. In dieser Hinsicht sollte ein Unterschied gemacht werden zwischen der Praxis des Primats, wie er sich als Reaktion auf bestimmte historische Umstände entwickelt hat, und dem eigentlichen Wesen des Primats. Man muss einen Weg finden, bestimmte Positionen der Vergangenheit zu überwinden und die wesentlichen Elemente, die in beiden Traditionen bewahrt worden sind, in ein gemeinsames Verständnis des Primats zu integrieren.

17.9 Eine erneute Untersuchung des Verhältnisses zwischen der Kirche von Rom und den Kirchen des Ostens im ersten Jahrtausend, besonders in der Zeit vor dem ersten Konzil von Nizäa (325), vor allem aber der Beziehungen, wie sie in den Bestimmungen des Konzils von Sardica (343) dargelegt sind, könnte sehr fruchtbringend sein. Das Konzil von Sardica etablierte eine Form des Appellationsrechts an den Papst, dem zufolge Streitfälle zwischen Kirchen nach Rom verwiesen werden konnten; Rom würde dann ein Schlichtungsverfahren durch ein anderes Tribunal vorsehen, zu dem der Bischof von Rom Delegierte entsenden könnte. Eine solche Regelung würde die Autokephalie der orthodoxen Kirchen in vollem Umfang respektieren und zugleich ein wirkungsvolles universales Amt der Einheit durch den Bischof von Rom gewährleisten.

17.10 Während unsere Arbeit sich bislang in erster Linie auf eine gemeinsame Untersuchung historischer Tatsachen konzentriert hat, die unsere Kirchen bis in die Gegenwart begleitet haben, sind wir uns bewusst, dass diese historische Arbeit, obwohl sie sicherlich notwendig und wichtig ist, nicht alle Antworten für die Zukunft bereithält. Unsere bisherigen Analysen zeigen deutlich, in welchem Ausmaß die strukturellen Entwicklungen in unseren Kirchen durch eine Vielzahl von Faktoren bedingt waren – theologische, historische und soziologische. Die Herausforderungen, denen sich die Kirchen heute gegenübersehen, sind nicht die gleichen wie im ersten Jahrtausend oder selbst im 19. Jahrhundert. So erkennen wir, dass eine einfache Rückkehr in die Vergangenheit weder für Orthodoxe noch für Katholiken eine Lösung darstellt.

17.11 Gemeinsam bekräftigen wir, dass wir im Blick auf den Primat und die Synodalität viel voneinander lernen müssen. Die katholische Kirche konnte einen starken, funktionierenden Primat bewahren, auch wenn einige seiner Ausdrucksformen von den Orthodoxen als problematisch angesehen werden. Den Orthodoxen hingegen war es großenteils möglich, starke synodale Strukturen auf lokaler, regionaler und neuerdings auch auf weltweiter Ebene zu bewahren, selbst wenn diese zeitweise chaotische Situationen hervorriefen, die Katholiken beunruhigen. So zeigt jede Seite sowohl Stärken als auch Schwächen, die wir alle anerkennen können.

17.12 Wenn wir die Einheit der Kirche suchen, wird uns zunehmend klar, dass es eine gemeinsame, für beide Kirchen akzeptable Lösung braucht, die auf den Stärken beider Seiten aufbaut. Diese Lösung muss nicht nur gegenseitig akzeptabel sein, sondern sie muss auch auf den Bedürfnissen des 21. Jahrhunderts entsprechen – einem Zeitalter der unmittelbaren Kommunikation, die Transparenz und Rechenschaftspflicht verlangt. Das bedeutet unter anderem, dass alte imperiale oder feudale Modelle keinen Platz mehr haben dürfen. Vor allem aber erfordert dies guten Willen, den Wunsch zu kooperieren und zusammenzuarbeiten, um Brücken zu bauen – nicht nur unter akademischen Theologen, sondern auch zwischen Priestern, die für das tägliche Leben der Kirche Sorge tragen, sowie unter allen Getauften, die ihre eigene Stimme als Glieder des Leibes Christi finden müssen. Das trifft besonders auf unsere Bischöfe zu, die das Leben unserer Kirchen beaufsichtigen und daher für die Umsetzung und Verwirklichung der ersehnten Einheit verantwortlich sind. Der Irenäuskreis unterstützt daher die Umsetzung einer Reihe von Zwischenschritten, die schon vor der Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft unternommen werden könnten, einschließlich regelmäßiger Treffen von Bischöfen aus beiden Kirchen, wie das in dem oben erwähnten Dokument der Nordamerikanischen orthodox-katholischen theologischen Konsultation aus dem Jahr 2010 vorgeschlagen wird.

17.13 Als Mitglieder des Gemeinsamen orthodox-katholischen Arbeitskreises St. Irenäus verpflichten wir uns, an diesen Fragen kontinuierlich weiterzuarbeiten in der Hoffnung, dadurch zum Versöhnungsprozess zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche beizutragen. Dieser wird gegenwärtig durch eine Reihe von Initiativen vorangebracht, vor allem durch den offiziellen Dialog. Wir sind uns dessen sehr bewusst, dass dieser Prozess nur Erfolg haben kann, wenn der gegenseitige Austausch nicht auf Theologen beschränkt bleibt, sondern auch die Gläubigen auf beiden Seiten mit einbezieht.

Im Dienst an der Gemeinschaft. Eine Studie des Gemeinsamen orthodox-katholischen Arbeitskreises St. Irenäus