International Dialogue: Ravenna 2007
Ekklesiologische und kanonische Konsequenzen der sakramentalen Natur der Kirche: Kirchliche Communio, Konziliarität und Autorität

Einleitung

1. „Dass alle eins seien, wie du Vater in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie eins sein in uns, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). Wir danken dem dreieinen Gott, der uns – Mitglieder der Gemeinsamen Internationalen Kommission für den theologischen Dialog zwischen der Römisch-katholischen Kirche und der Orthodoxen Kirche – versammelt hat, so dass wir zusammen auf dieses Gebet Jesu im Gehorsam antworten. Wir sind uns bewusst, dass unser Dialog wieder beginnt in einer Welt, die sich in jüngster Zeit grundlegend verändert hat. Die Prozesse der Globalisierung und Säkularisierung und die Herausforderung durch die neuen Begegnungen zwischen Christen und Glaubenden anderer Religionen erfordern, dass die Jünger Christi ihren Glauben, ihre Liebe und Hoffnung mit neuer Dringlichkeit bezeugen. Der Geist des auferstandenen Herrn möge unsere Herzen und unser Denken befähigen, in der Beziehung zwischen unseren Kirchen die Frucht der Einheit zu bringen, so dass wir zusammen der Einheit und dem Frieden der gesamten Menschheitsfamilie dienen. Derselbe Geist möge uns zum vollen Ausdruck des Geheimnisses kirchlicher Communio führen, das wir dankbar als ein wunderbares Geschenk Gottes an die Welt anerkennen, ein Geheimnis, dessen Schönheit besonders in der Heiligkeit der Heiligen, zu der alle gerufen sind, aufstrahlt.

2. Dem Plan folgend, der beim ersten Treffen in Rhodos 1980 angenommen wurde, begann die Gemeinsame Kommission damit, das Geheimnis der kirchlichen koinonia im Licht des Geheimnisses der Heiligen Trinität und der Eucharistie anzugehen. Das ermöglichte ein tieferes Verständnis der kirchlichen Communio, sowohl auf der Ebene der Ortsgemeinde um ihren Bischof wie auch auf der Ebene der Beziehungen zwischen Bischöfen und zwischen den Ortskirchen, denen jeder in Communio mit der einen Kirche Gottes, die sich über die ganze Welt erstreckt, vorsteht (München-Dokument 1982). Um das Wesen von Communio zu verdeutlichen, unterstrich die Gemeinsame Kommission die Beziehung, die zwischen dem Glauben, den Sakramenten – besonders den drei Sakramenten der christlichen Initiation – und der Einheit der Kirche besteht (Bari-Dokument 1987). Durch das Studium des Weihesakraments innerhalb der sakramentalen Struktur der Kirche wies die Kommission klar die Rolle der apostolischen Sukzession als Garant der koinonia der ganzen Kirche und ihrer Kontinuität mit den Aposteln zu jeder Zeit und an jedem Ort auf (Valamo-Dokument 1988). Von 1990 bis 2000 war „Uniatismus“ das Hauptthema, das die Kommission diskutierte (Balamand-Dokument 1993; Baltimore 2000), ein Thema, das wir in naher Zukunft weiter bedenken werden. Jetzt greifen wir das Thema auf, das am Ende des Valamo-Dokuments angesprochen ist, und denken über kirchliche Communio, Konziliarität und Autorität nach.

3. Auf der Grundlage dieser gemeinsamen Bekräftigungen unseres Glaubens müssen wir nun die ekklesiologischen und kanonischen Konsequenzen ziehen, die sich aus der sakramentalen Natur der Kirche ergeben. Wenn die Eucharistie im Licht des trinitarischen Geheimnisses das Kriterium des kirchlichen Lebens insgesamt darstellt, wie geben dann institutionelle Strukturen sichtbar das Geheimnis dieser koinonia wieder? Wenn die eine und heilige Kirche sowohl in jeder Ortskirche verwirklicht ist, die die Eucharistie feiert, wie auch zugleich in der koinonia aller Kirchen, wie macht dann das Leben der Kirchen diese sakramentale Struktur deutlich?

4. Einheit und Vielheit, die Beziehung zwischen der einen Kirche und den vielen Ortskirchen, jene für die Kirche konstitutive Beziehung, lässt auch nach der Beziehung zwischen der jeder kirchlichen Institution innewohnenden Autorität und der Konziliarität, die aus dem Geheimnis der Kirche als Communio herrührt, fragen. Da die Begriffe „Autorität“ und „Konziliarität“ sehr vieles bedeuten können, werden wir zunächst definieren, wie wir sie verstehen.1

I. Die Grundlagen von Konziliarität und Autorität

1. Konziliarität

5. Der Begriff Konziliarität oder Synodalität kommt vom Wort „Konzil“ (synodos im Griechischen, concilium im Lateinischen), das in erster Linie eine Versammlung von Bischöfen bezeichnet, die eine besondere Verantwortung ausüben. Es ist jedoch auch möglich, den Begriff in einem umfassenderen Sinn zu verstehen und auf alle Glieder der Kirche zu beziehen (vgl. den russischen Begriff sobornost’). Dementsprechend sprechen wir zuerst von Konziliarität in der Bedeutung, dass jedes Glied des Leibes Christi kraft der Taufe seinen Ort und eine eigene Verantwortung in dereucharistischen koinonia (communio im Lateinischen) hat. Konziliarität spiegelt das Bild des trinitarischen Geheimnisses wider und findet darin ihre letzte Grundlage. Die drei Personen der Heiligen Trinität werden „gezählt“, wie Basilius der Große sagt (Über den Heiligen Geist, 45), ohne dass die Bezeichnung als „zweite“ oder „dritte“ Person der Trinität irgendeine Verminderung oder Unterordnung impliziert. Ähnlich gibt es auch eine Ordnung (taxis) unter Ortskirchen, die jedoch keine Ungleichheit in ihrem kirchlichen Wesen nach sich zieht.

6. Die Eucharistie macht die trinitarische koinonia deutlich, die in den Gläubigen als einer organischen Einheit von einzelnen Gliedern aktualisiert ist, von denen jedes ein Charisma hat, einen Dienst oder ein eigenes Amt, die in ihrer Vielfalt und Verschiedenheit für den Aufbau aller zum einen kirchlichen Leib Christi notwendig sind (vgl. 1 Kor 12,4-30). Alle sind gerufen, eingeladen und verantwortlich – jeder auf verschiedene, doch nicht weniger reale Weise – für die gemeinsame Ausführung der Handlungen, die durch den Heiligen Geist den Dienst Christi, der „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6) ist, in der Kirche gegenwärtig machen. Auf diese Weise wird das Geheimnis der heilsamenkoinonia mit der Heiligen Dreifaltigkeit in der Menschheit verwirklicht.

7. Die ganze Gemeinde und jeder Einzelne in ihr ist Träger des „Gewissens der Kirche“ (ekklesiastikè syneidesis, wie es die griechische Theologie nennt, des sensus fidelium in lateinischer Terminologie). Kraft Taufe und Firmung (Salbung mit dem Chrisam) übt jedes Glied der Kirche eine Form von Autorität im Leib Christi aus. In diesem Sinn sind alle Gläubigen – und nicht nur die Bischöfe – für den Glauben verantwortlich, den sie bei ihrer Taufe bekannt haben. Unsere gemeinsame Lehre ist es, dass das Volk Gottes als Ganzes, da es „die Salbung, die von dem Heiligen kommt“ (1 Joh 2,20 und 27), empfangen hat, in Gemeinschaft mit ihren Hirten, in Dingen des Glaubens nicht irren kann (vgl. Joh 16,13).

8. Im Verkündigen des Glaubens der Kirche und im Klären der Normen christlicher Lebensführung haben die Bischöfe aufgrund göttlicher Einsetzung eine besondere Aufgabe. „Als Nachfolger der Apostel sind die Bischöfe für die Gemeinschaft (communion) im apostolischen Glauben und für die Treue zu den Forderungen eines Lebens nach dem Evangelium verantwortlich“ (Valamo-Dokument, Nr. 40).

9. Konzile sind der hauptsächliche Weg, auf welchem Communio unter Bischöfen ausgeübt wird (vgl. Valamo-Dokument, Nr. 52). Denn: „Die Verbindung mit der apostolischen Gemeinschaft verknüpft die Gesamtheit der Bischöfe, welche die episkopé in den Ortskirchen wahrnehmen, mit dem Kollegium der Apostel. Auch sie bilden ein Kollegium, welches durch den Geist eingewurzelt ist in jenes ‚Ein-für-allemal‘ der Apostel, welche die einzigen Zeugen des Glaubens sind. Dies bedeutet nicht nur, dass sie untereinander durch den Glauben, die Liebe, die Mission, die Versöhnung verbunden sein müssen, sondern auch, dass sie teilhaben an derselben Verantwortung und an demselben Dienst für die Kirche“ (München-Dokument III, 4).

10. Diese konziliare Dimension des Lebens der Kirche gehört zu ihrem tiefsten Wesen. Das heißt, sie ist im Willen Christi für sein Volk begründet (vgl. Mt 18,15-20), selbst wenn ihre kanonische Verwirklichung notgedrungen auch durch Geschichte und den sozialen, politischen und kulturellen Kontext bestimmt wird. So definiert muss die konziliare Dimension der Kirche auf den drei Ebenen kirchlicher Communio, der lokalen, regionalen und universalen Ebene, zu finden sein: auf der lokalen Ebene der dem Bischof anvertrauten Diözese, auf der regionalen Ebene einer Gruppe von Ortskirchen mit ihren Bischöfen, die „erkennen, wer der Erste unter ihnen ist“ (Apostolischer Kanon 34), und auf der universalen Ebene, wo diejenigen, die Erste (protoi) in den verschiedenen Regionen sind, zusammen mit allen Bischöfen in dem zusammenarbeiten, was das Ganze der Kirche angeht. Auch auf dieser Ebene müssen die protoi den anerkennen, der der Erste unter ihnen ist.

11. Die Kirche existiert an vielen und verschiedenen Orten, was ihre Katholizität erweist. Sie ist „katholisch“ und ist ein lebendiger Organismus, der Leib Christi. Jede Ortskirche stellt, wenn sie in Communio mit den anderen Ortskirchen steht, eine Manifestation der einen und ungeteilten Kirche Gottes dar. „Katholisch“ zu sein bedeutet deshalb, in Communio mit der einen Kirche aller Zeiten und aller Orte zu sein. Deshalb bedeutet das Zerbrechen der eucharistischen Communio, dass eines der wesentlichen Charakteristika der Kirche, ihre Katholizität, verwundet wird.

2. Autorität

12. Wenn wir von Autorität sprechen, beziehen wir uns auf exousia, wie sie im Neuen Testament beschrieben ist. Die Autorität der Kirche kommt von ihrem Herrn und Haupt, Jesus Christus. Christus, der seine Autorität von Gott dem Vater erhalten hat, teilte sie nach seiner Auferstehung den Aposteln durch den Heiligen Geist mit (vgl. Joh 20,22). Durch die Apostel wurde sie den Bischöfen, ihren Nachfolgern, übermittelt und durch sie der gesamten Kirche. Jesus Christus unser Herr übte diese Autorität auf verschiedene Weisen aus, wodurch sich das Reich Gottes bis zu seiner eschatologischen Vollendung (vgl. 1 Kor 15,24-28) in der Welt kundtut: durch Lehren (vgl. Mt 5,2; Lk 5,3), durch Wunderwirken (vgl. Mk 1,30-34; Mt 14,35-36), durch Austreiben von unreinen Geistern (vgl. Mk 1,27; Lk 4,35-36), in der Vergebung von Sünden (vgl. Mk 2,10; Lk 5,24) und dadurch, dass er seine Jünger auf den Wegen der Erlösung führt (vgl. Mt 16,24). In Übereinstimmung mit dem von Christus erhaltenen Auftrag (vgl. Mt 28,18-20) schließt die Ausübung der Autorität, die den Aposteln und später den Bischöfen eigen ist, die Verkündigung und Lehre des Evangeliums, Heiligung durch die Sakramente, die im Namen der Dreifaltigkeit gespendet werden, und die pastorale Leitung derjenigen, die glauben, ein (vgl. Lk 10,16).

13. Autorität in der Kirche gehört Jesus Christus selbst, dem einen Haupt der Kirche (Eph 1,22; 5,23). Durch seinen Heiligen Geist hat die Kirche als sein Leib Anteil an seiner Autorität (vgl. Joh 20,22-23). Autorität in der Kirche hat zum Ziel, die ganze Menschheit in Jesus Christus zu sammeln (vgl. Eph 1,10; Joh 11,52). Die mit der in der Weihe empfangenen Gnade verbundene Autorität ist kein privater Besitz derjenigen, die sie empfangen, noch etwas von der Gemeinde Delegiertes; vielmehr ist sie ein Geschenk des Heiligen Geistes, das zum Dienst (diakonia) in der Gemeinde bestimmt ist und nie außerhalb von ihr ausgeübt wird. Ihre Ausübung schließt die Teilhabe der gesamten Gemeinde ein, da der Bischof in der Kirche und die Kirche im Bischof ist (vgl. Cyprian, Ep. 66,8).

14. Die in der Kirche vollzogene Ausübung von Autorität im Namen Christi und in der Kraft des Heiligen Geistes muss in all ihren Formen und auf allen Ebenen ein Dienst (diakonia) der Liebe sein, wie es der Dienst Christi war (vgl. Mk 10,45; Joh 13,1-16). Die Autorität, von der wir sprechen, kann, da sie göttliche Autorität zum Ausdruck bringt, in der Kirche nur in der Liebe zwischen dem, der sie ausübt, und denen, die ihr unterworfen sind, existieren. Sie ist daher eine Autorität ohne zu herrschen, ohne physischen oder moralischen Zwang. Da sie eine Teilhabe an der exousia des gekreuzigten und erhöhten Herrn ist, dem alle Autorität im Himmel und auf der Erde gegeben ist (vgl. Mt 28,18), kann und muss sie zum Gehorsam rufen. Gleichzeitig ist sie, wegen der Menschwerdung und des Kreuzes, radikal verschieden von der der Führer von Nationen und der Großen dieser Welt (vgl. Lk 22,25-27). Während diese Autorität gewiss Menschen anvertraut ist, die aus Schwäche und Sünde oft versucht sind, sie zu missbrauchen, so bildet doch die evangeliumsgemäße Identifizierung von Autorität und Dienst durch ihr Wesen selbst eine fundamentale Norm für die Kirche. Für Christen heißt zu herrschen dienen. Die Ausübung und geistliche Wirksamkeit kirchlicher Autorität sind damit durch freie Zustimmung und freiwillige Mitwirkung gesichert. Auf einer persönlichen Ebene übersetzt sich dies in Gehorsam gegenüber der Autorität der Kirche, um Christus zu folgen, der liebend dem Vater gehorsam war, sogar bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz (vgl. Phil 2,8).

15. Autorität in der Kirche ist gegründet auf das Wort Gottes, das in der Gemeinschaft der Jünger gegenwärtig und lebendig ist. Die Schrift ist das offenbarte Wort Gottes, wie die Kirche es durch den in ihr gegenwärtigen und aktiven Heiligen Geist in der lebendigen, von den Aposteln empfangenen Tradition erkannt hat. Im Herzen dieser Tradition ist die Eucharistie (vgl. 1 Kor 10,16-17; 11,23-26). Die Autorität der Schrift leitet sich von der Tatsache her, dass sie Gottes Wort ist, das in der Kirche und durch die Kirche gelesen das Evangelium des Heils übermittelt. Durch die Schrift richtet sich Christus an die versammelte Gemeinde und an das Herz jedes Glaubenden. Die Kirche legt durch den in ihr gegenwärtigen Heiligen Geist authentisch die Schrift aus als Antwort auf die Nöte von Zeit und Ort. Die beständige Gewohnheit der Konzile, das Evangelium inmitten der Versammlung zu inthronisieren, bezeugt die Gegenwart Christi in seinem Wort, das der notwendige Bezugspunkt all ihrer Diskussionen und Entscheidungen ist, und bekräftigt zugleich die Autorität der Kirche, dieses Wort Gottes auszulegen.

16. In seinem göttlichen Heilsplan will Gott, dass seine Kirche eine auf das Heil hin orientierte Struktur haben soll. Zu dieser wesentlichen Struktur gehören das Bekenntnis des Glaubens und die Feier der Sakramente in der apostolischen Sukzession. Autorität in der kirchlichen Communio ist mit dieser wesentlichen Struktur verbunden; ihre Ausübung wird durch die Kanones und Statuten der Kirche geregelt. Einige dieser Regelungen mögen entsprechend den Nöten der kirchlichen Communio zu verschiedenen Zeiten und Orten verschieden angewendet werden, vorausgesetzt, dass die wesentliche Struktur der Kirche immer respektiert wird. Ebenso wie Communio in den Sakramenten die Communio im selben Glauben voraussetzt (vgl. Bari-Dokument, Nr. 29-33), muss es daher, damit es volle kirchliche Communio geben kann, zwischen unseren Kirchen wechselseitige Anerkennung der kanonischen Gesetzgebungen in ihrer legitimen Verschiedenheit geben.

II. Die dreifache Aktualisierung von Konziliarität und Autorität

17. Nachdem wir die Grundlage von Konziliarität und Autorität in der Kirche aufgezeigt und die Komplexität des Inhalts dieser Begriffe vermerkt haben, müssen wir nun die folgenden Fragen beantworten: Wie bringen institutionelle Elemente der Kirche das Geheimnis der koinonia sichtbar zum Ausdruck und dienen ihm? Wie drücken die kanonischen Strukturen der Kirchen ihr sakramentales Leben aus? Dazu haben wir zwischen drei Ebenen kirchlicher Institutionen unterschieden: derjenigen der Ortskirche um ihren Bischof, derjenigen einer Region, die mehrere benachbarte Ortskirchen einschließt, und derjenigen der gesamten bewohnten Erde (oikoumene), die alle Ortskirchen umfasst.

1. Die lokale Ebene

18. Die Kirche Gottes existiert dort, wo es eine Gemeinde gibt, die in der Eucharistie versammelt wird unter dem Vorsitz – direkt oder durch seine Priester – eines legitim in die apostolische Sukzession geweihten Bischofs, der den von den Aposteln empfangenen Glauben in Communio mit den anderen Bischöfen und ihren Kirchen lehrt. Die Frucht dieser Eucharistie und dieses Dienstes ist es, alle, die den Geist Christi in der Taufe empfangen haben, in einer authentischen Gemeinschaft des Glaubens, des Gebets, der Sendung, der brüderlichen Liebe und der gegenseitigen Hilfe zu versammeln. Diese Gemeinschaft ist der Rahmen, in dem jede kirchliche Autorität ausgeübt wird. Communio ist das Kriterium für ihre Ausübung.

19. Jede Ortskirche hat die Sendung, durch die Gnade Gottes ein Ort zu sein, wo Gott gedient und geehrt wird, wo das Evangelium verkündet wird, wo die Sakramente gefeiert werden, wo die Gläubigen sich mühen, die Not der Welt zu lindern, und wo jeder Gläubige das Heil finden kann. Sie ist das Licht der Welt (vgl. Mt 5,14-16), der Sauerteig (vgl. Mt 13,33), die priesterliche Gemeinde Gottes (vgl. 1 Petr 2,5 und 9). Die kanonischen Normen, die sie leiten, zielen darauf ab, diese Sendung sicherzustellen.

20. Jede(r) Getaufte ist kraft eben dieser Taufe, die sie oder ihn zu einem Glied Christi macht, gerufen, entsprechend den Gaben des einen Heiligen Geistes in der Gemeinde zu dienen (vgl. 1 Kor 12,4-27). So erweist sich die Ortskirche durch die Gemeinschaft, wodurch alle Glieder einander zu Diensten sind, bereits in ihrer Struktur als „synodal“ oder „konziliar“. Diese „Synodalität“ zeigt sich nicht nur in den Beziehungen der Solidarität, des gegenseitigen Beistands und der Komplementarität, die die verschiedenen ordinierten Ämter untereinander haben. Gewiss ist das Presbyterium der Rat des Bischofs (vgl. Ignatius von Antiochien, An die Trallier 3) und der Diakon ist seine „rechte Hand“ (Didascalia Apostolorum 2, 28, 6), so dass nach der Empfehlung des hl. Ignatius von Antiochien alles in Übereinstimmung getan werde (vgl. An die Epheser 6). Synodalität bezieht jedoch auch alle Glieder der Gemeinde im Gehorsam gegenüber dem Bischof ein, der der protos und das Haupt (kephale) der Ortskirche ist, wie es die kirchliche Communio erfordert. Entsprechend der östlichen und westlichen Tradition erfolgt die aktive Teilnahme der Laien, von Männern und Frauen, Personen des Mönchtums und des geweihten Lebens, in der Diözese und in der Pfarrei durch viele Formen des Dienstes und der Sendung.

21. Die Charismen der Glieder der Gemeinde haben ihren Ursprung im einen Heiligen Geist und sind auf das Wohl aller gerichtet. Diese Tatsache wirft ein Licht auf die Anforderungen und die Grenzen der Autorität jedes Einzelnen in der Kirche. Es sollte weder Passivität noch Ersetzung von Funktionen geben, weder Vernachlässigung noch Beherrschung irgendeines durch irgendeinen anderen. Alle Charismen und Dienste in der Kirche konvergieren in Einheit unter dem Amt des Bischofs, der der Communio der Ortskirche dient. Alle sind dazu gerufen, vom Heiligen Geist in den Sakramenten erneuert zu werden und darauf in beständiger Umkehr (metanoia) zu antworten, so dass ihre Communio in Wahrheit und Liebe gesichert ist.

2. Die regionale Ebene

22. Da die Kirche sich selbst als katholisch in der synaxis der Ortskirche offenbart, muss sich diese Katholizität wahrhaft in der Communio mit den anderen Kirchen kundtun, die denselben apostolischen Glauben bekennen und dieselbe grundlegende kirchliche Struktur teilen, angefangen bei denen, die einander nahe sind gemäß ihrer gemeinsamen Verantwortung für die Sendung in jener Region, die die ihrige ist (vgl. München-Dokument III, 3, und Valamo-Dokument, Nr. 52 und 53). Communio unter Kirchen findet ihren Ausdruck in der Weihe von Bischöfen. Diese Weihe wird gemäß kanonischer Ordnung durch drei oder mehr Bischöfe gespendet, oder wenigstens durch zwei (vgl. Nicaea I, can. 4), die im Namen des Bischofskollegiums und des Volkes Gottes handeln, nachdem sie selbst ihr Amt vom Heiligen Geist durch Handauflegung in der apostolischen Sukzession empfangen haben. Wenn dies in Übereinstimmung mit den Kanones vollzogen wird, ist sowohl die Communio unter Kirchen im wahren Glauben, in den Sakramenten und im kirchlichen Leben gesichert als auch lebendige Communio mit den vorangegangenen Generationen.

23. Solche wirksame Communio unter mehreren Ortskirchen, von denen jede die katholische Kirche an einem bestimmten Ort ist, hat ihren Ausdruck durch gewisse Praktiken gefunden: die Teilnahme der Bischöfe benachbarter Sitze an der Weihe des Bischofs für eine Ortskirche, die Einladung an einen Bischof einer anderen Kirche, bei der synaxis der Ortskirche zu konzelebrieren, die Einladung von Gläubigen aus diesen anderen Kirchen, am eucharistischen Tisch teilzuhaben, der Austausch von Briefen anlässlich einer Weihe und die Bereitstellung materieller Unterstützung.

24. Ein in Ost und West akzeptierter Kanon drückt die Beziehung zwischen den Ortskirchen einer Region aus: „Die Bischöfe jeder Provinz (ethnos) müssen den anerkennen, der unter ihnen der Erste (protos) ist, und ihn als ihr Haupt (kephale) betrachten und nichts Wichtiges ohne seine Zustimmung (gnome) tun; jeder Bischof soll nur das tun, was seine eigene Diözese (paroikia) und die von ihr abhängigen Gebiete betrifft. Aber der Erste (protos) kann nichts tun ohne die Zustimmung aller. Denn auf diese Weise wird Eintracht (homonoia) herrschen und Gott wird gepriesen werden durch den Herrn im Heiligen Geist“ (Apostolischer Kanon 34).

25. Diese Norm, die in verschiedenen Formen in der kanonischen Tradition wieder auftaucht, lässt sich auf alle Beziehungen zwischen den Bischöfen einer Region anwenden, sei es einer Provinz, einer Kirchenprovinz oder eines Patriarchats. Ihre praktische Anwendung kann man in den Synoden oder Konzilen einer Provinz, Region oder eines Patriarchats finden. Die Tatsache, dass die Zusammensetzung einer Regionalsynode immer wesentlich bischöflich ist, selbst wenn sie andere Glieder der Kirche einschließt, offenbart das Wesen der synodalen Autorität. Nur Bischöfe haben beschließende Stimme. Die Autorität einer Synode stützt sich auf das Wesen des Bischofsamtes selbst und macht die kollegiale Natur des Bischofsamtes zum Dienst an der Communio der Kirchen offenbar.

26. Eine Synode (oder ein Konzil) als solche(s) beinhaltet die Teilnahme aller Bischöfe einer Region. Sie wird geleitet vom Prinzip des Konsenses und der Eintracht (homonoia), was durch die eucharistische Konzelebration angedeutet wird, wie in der Schlussdoxologie des oben erwähnten Apostolischen Kanon 34 mit einbegriffen ist. Es bleibt jedoch die Tatsache, dass jeder Bischof in seiner pastoralen Sorge Richter ist und vor Gott für die Angelegenheiten seiner eigenen Diözese verantwortlich ist (vgl. Cyprian, Ep. 55, 21); so ist er Hüter der Katholizität seiner Ortskirche und muss immer besorgt sein, die katholische Communio mit anderen Kirchen zu fördern.

27. Daraus folgt, dass eine Regionalsynode oder ein Konzil keine Autorität über andere kirchliche Regionen hat. Nichtsdestoweniger sind der Informationsaustausch und Beratungen zwischen den Vertretern mehrerer Synoden eine Manifestation sowohl der Katholizität als auch jenes gegenseitigen brüderlichen Beistands und jener Liebe, die die Regel zwischen allen Ortskirchen zum größeren gemeinsamen Nutzen sein sollte. Jeder Bischof ist verantwortlich für die ganze Kirche zusammen mit allen Bischöfen in ein und derselben apostolischen Sendung.

28. Auf diese Weise kamen einige Kirchenprovinzen dazu, ihre Bande gemeinsamer Verantwortlichkeit zu stärken. Das war einer der Faktoren, die in der Geschichte unserer Kirchen zu Patriarchaten führte. Patriarchalsynoden werden durch dieselben ekklesiologischen Prinzipien und dieselben kanonischen Normen wie Provinzialsynoden geleitet.

29. In späteren Jahrhunderten haben sich sowohl im Osten wie im Westen gewisse neue Ausformungen von Communio zwischen Ortskirchen entwickelt. Neue Patriarchate und autokephale Kirchen sind im christlichen Osten gegründet worden und in der Lateinischen Kirche hat sich unlängst eine besondere Gestalt einer Bischofsversammlung herausgebildet, die Bischofskonferenzen. Diese sind von einem ekklesiologischen Standpunkt aus betrachtet nicht bloße administrative Unterteilungen: Sie bringen den Geist der Communio in der Kirche zum Ausdruck und respektieren gleichzeitig die Verschiedenheit menschlicher Kulturen.

30. Was immer ihre Konturen und kanonische Regulierung sein mögen, regionale Synodalität zeigt tatsächlich, dass die Kirche Gottes nicht eine Communio von Personen oder Ortskirchen abgetrennt von ihren menschlichen Wurzeln darstellt. Weil sie die Gemeinschaft des Heils ist und weil dieses Heil die „Wiederherstellung der Schöpfung“ (vgl. Irenäus von Lyon, Gegen die Häresien 5, 36, 1) ist, umfasst sie die menschliche Person mit allem, was sie mit der menschlichen Wirklichkeit als von Gott geschaffen verbindet. Die Kirche ist nicht bloß eine Ansammlung von Individuen; sie besteht aus Gemeinschaften mit verschiedener Kultur, Geschichte und Sozialstruktur.

31. In der Gruppierung von Ortskirchen auf der regionalen Ebene erscheint Katholizität in ihrem wahren Licht. Sie ist der Ausdruck der Heilsgegenwart nicht in einem undifferenzierten Universum, sondern in der Menschheit, wie Gott sie schuf, und kommt, um sie zu retten. Im Geheimnis der Erlösung wird die menschliche Natur gleichzeitig sowohl in ihrer Fülle angenommen als auch geheilt von dem, was Sünde ihr durch Selbstgenügsamkeit, Stolz, Misstrauen gegen andere, Aggressivität, Eifersucht, Neid, Falschheit und Hass eingeflößt hat. Kirchliche koinonia ist das Geschenk, durch das die ganze Menschheit im Geist des auferstandenen Herrn miteinander verbunden wird. Diese vom Geist geschaffene Einheit ist weit davon entfernt, in Uniformität zu verfallen, sondern ruft nach Verschiedenheit und Besonderheit und bewahrt, ja begünstigt sie sogar in gewisser Weise.

3. Die universale Ebene

32. Jede Ortskirche ist in Communio nicht nur mit benachbarten Kirchen, sondern mit der Gesamtheit der Ortskirchen, mit den jetzt in der Welt vorhandenen, denen, die es von Anfang an gab, und denen, die es in Zukunft geben wird, und mit der Kirche, die schon in der Herrlichkeit ist. Gemäß dem Willen Christi ist die Kirche eine und unteilbar, immer und überall dieselbe. Beide Seiten bekennen im Nicaeno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis, dass die Kirche eine ist und katholisch ist. Ihre Katholizität umfasst nicht nur die Verschiedenheit der menschlichen Gemeinschaften, sondern auch ihre fundamentale Einheit.

33. Es ist deshalb klar, dass ein und derselbe Glaube in all den Ortskirchen geglaubt und gelebt werden muss, dieselbe eine Eucharistie überall gefeiert werden und ein und dasselbe apostolische Amt in all den Gemeinden tätig sein muss. Eine Ortskirche kann nicht das Glaubensbekenntnis verändern, das von ökumenischen Konzilen formuliert wurde, obgleich die Kirche immer „auf neue Probleme angemessene Antworten geben“ muss, „die sich auf die Schrift gründen und in Übereinstimmung und in Zusammenhang stehen mit den früheren dogmatischen Aussagen“ (Bari-Dokument, Nr. 29). Gleicherweise kann eine Ortskirche nicht einen grundlegenden Punkt bezüglich der Form des Amtes durch eine einseitige Entscheidung ändern und keine Ortskirche kann die Eucharistie in absichtlicher Trennung von anderen Ortskirchen feiern, ohne ernsthaft die kirchliche Communio zu beeinträchtigen. In all diesen Dingen beeinträchtigt man das Band der Communio selbst, also das Sein der Kirche selbst.

34. Wegen dieser Communio regeln alle Kirchen durch Kanones die Einzelheiten bezüglich der Eucharistie und der Sakramente, des Amtes und der Weihe sowie der Weitergabe (paradosis) und Lehre (didaskalia) des Glaubens. Es ist klar, warum in diesem Bereich kanonische Regeln und disziplinäre Normen benötigt werden.

35. Wenn im Verlauf der Geschichte ernste Probleme entstanden, die die universale Communio und Übereinstimmung zwischen Kirchen betrafen – entweder in Bezug auf die authentische Auslegung des Glaubens oder auf Ämter und ihre Beziehung zur ganzen Kirche oder auf die gemeinsame Disziplin, die die Treue zum Evangelium erfordert – nahm man zu Ökumenischen Konzilen Zuflucht. Diese Konzile waren ökumenisch, nicht bloß weil sie Bischöfe von allen Regionen und insbesondere die der fünf Hauptsitze Rom, Konstantinopel, Alexandria, Antiochien und Jerusalem entsprechend der alten Ordnung (taxis) versammelten. Sie waren es auch, weil ihre feierlichen dogmatischen Entscheidungen und ihre gemeinsamen Formulierungen des Glaubens, besonders in kritischen Punkten, für alle Kirchen und alle Gläubigen zu allen Zeiten und an allen Orten gelten. Deswegen bleiben die Entscheidungen der Ökumenischen Konzile normativ.

36. Die Geschichte der Ökumenischen Konzile zeigt, was man als ihre besonderen Charakteristika ansehen kann. Dieses Thema muss in unserem künftigen Dialog weiter studiert werden, wobei die Entwicklung kirchlicher Strukturen in den letzten Jahrhunderten in Ost und West in Betracht zu ziehen ist.

37. Die Ökumenizität der Entscheidungen eines Konzils wird durch einen Rezeptionsprozess von langer oder kurzer Dauer anerkannt, gemäß dem das Volk Gottes als Ganzes – durch Überlegung, Unterscheidung, Diskussion und Gebet – in diesen Entscheidungen den einen apostolischen Glauben der Ortskirchen erkennt, der immer derselbe gewesen ist und dessen Lehrer (didaskaloi) und Hüter die Bischöfe sind. Dieser Rezeptionsprozess wird in Ost und West entsprechend ihrer kanonischen Tradition verschieden ausgelegt.

38. Konziliarität oder Synodalität schließt daher viel mehr ein als die versammelten Bischöfe. Sie schließt auch ihre Kirchen ein. Die Ersteren sind Träger des Glaubens und bringen den Glauben der Letzteren zum Ausdruck. Die Entscheidungen der Bischöfe müssen im Leben der Kirchen angenommen werden, besonders in ihrem liturgischen Leben. Jedes so angenommene Ökumenische Konzil ist folglich im vollen und eigentlichen Sinn eine Manifestation der Communio der ganzen Kirche und ein Dienst an ihr.

39. Anders als diözesane und regionale Synoden ist ein Ökumenisches Konzil keine „Institution“, deren Häufigkeit durch Kanones geregelt werden kann; vielmehr ist es ein „Ereignis“, ein kairos, inspiriert vom Heiligen Geist, der die Kirche leitet, um in ihr die Institutionen hervorzubringen, die sie benötigt und die ihrem Wesen entsprechen. Diese Harmonie zwischen der Kirche und den Konzilen ist so tief, dass selbst nach dem Bruch zwischen Ost und West, der das Abhalten von ökumenischen Konzilen im strengen Sinn des Wortes unmöglich machte, beide Kirchen weiter Konzile abhielten, wann immer ernste Krisen auftraten. Diese Konzile versammelten die Bischöfe von Ortskirchen in Communio mit dem Sitz von Rom oder, wenn auch in anderer Weise verstanden, mit dem Sitz von Konstantinopel. In der Römisch-katholischen Kirche wurden einige dieser im Westen abgehaltenen Konzile als ökumenisch betrachtet. Diese Situation, die beide Seiten der Christenheit gezwungen hat, eigene Konzile je für sich einzuberufen, hat Uneinigkeiten begünstigt, die zur gegenseitigen Entfremdung beitrugen. Die Mittel, die die Wiederherstellung des ökumenischen Konsensus erlauben, müssen ausfindig gemacht werden.

40. Während des ersten Jahrtausends wurde die universelle Communio der Kirchen im Normalfall durch brüderliche Beziehungen unter den Bischöfen aufrechterhalten. Diese Beziehungen unter den Bischöfen selbst, zwischen den Bischöfen und ihren entsprechenden protoi und auch unter den protoi selbst in der kanonischen Ordnung (taxis), bezeugt von der Alten Kirche, nährten und festigten die kirchliche Communio. Die Geschichte verzeichnet die Konsultationen, Briefe und Appellationen an die Hauptsitze, besonders an den von Rom, die auf lebendige Weise die Solidarität ausdrücken, welche koinonia schafft. Kanonische Maßnahmen wie das Einschreiben der Namen der Bischöfe der Hauptsitze in die Diptychen und die Übermittlung des Glaubensbekenntnisses an die anderen Patriarchen anlässlich von Wahlen sind konkreter Ausdruck von koinonia.

41. Beide Seiten stimmen überein, dass diese kanonische taxis von allen in der Zeit der ungeteilten Kirche anerkannt wurde. Ferner stimmen sie überein, dass Rom als die Kirche, die nach Aussage des hl. Ignatius von Antiochien (An die Römer, Prolog) „in Liebe vorsteht“, die erste Stelle in der taxis einnahm und dass der Bischof von Rom deshalb der protos unter den Patriarchen war. Sie sind jedoch uneinig in der Interpretation der historischen Belege aus dieser Zeit über die Vorrechte des Bischofs von Rom als protos, worüber es bereits im ersten Jahrtausend unterschiedliche Interpretationen gab.

42. Konziliarität auf der universalen Ebene, die in ökumenischen Konzilen ausgeübt wird, bringt eine aktive Rolle des Bischofs von Rom als protos der Bischöfe der Hauptsitze, im Konsens der versammelten Bischöfe, mit sich. Obgleich der Bischof von Rom die ökumenischen Konzile der frühen Jahrhunderte nicht einberief und ihnen nie persönlich vorstand, war er nichtsdestoweniger eng in den Prozess der Entscheidungsfindung durch das Konzil einbezogen.

43. Primat und Konziliarität sind wechselseitig voneinander abhängig. Deshalb muss der Primat auf den verschiedenen Ebenen des Lebens der Kirche, lokal, regional und universal, immer im Kontext der Konziliarität betrachtet werden und dementsprechend die Konziliarität im Kontext des Primats. Hinsichtlich des Primats auf den verschiedenen Ebenen möchten wir die folgenden Punkte bestätigen:

1. Primat auf allen Ebenen ist eine Praxis, die fest in der kanonischen Tradition der Kirche gründet.

2. Während die Tatsache des Primats auf der universalen Ebene von beiden, Ost und West, akzeptiert wird, gibt es Unterschiede des Verständnisses in Bezug auf die Weise, in der er ausgeübt werden soll und auch in Bezug auf seine biblischen und theologischen Grundlagen.

44. In der Geschichte des Ostens wie des Westens hat man, wenigstens bis zum 9. Jahrhundert, immer im Kontext der Konziliarität, entsprechend den Bedingungen der Zeit, für den Ersten (protos) oder das Haupt (kephale) auf jeder der festgesetzten kirchlichen Ebenen eine Reihe von Vorrechten anerkannt: lokal für den Bischof als protos seiner Diözese in Bezug auf seine Presbyter und sein Volk; regional für den protos jeder Metropolie in Bezug auf die Bischöfe seiner Provinz, und für den protos jeder der fünf Patriarchate in Bezug auf die Metropoliten jedes Bereichs; und universal für den Bischof von Rom als protos unter den Patriarchen. Diese Unterscheidung der Ebenen mindert nicht die sakramentale Gleichheit jedes Bischofs oder die Katholizität jeder Ortskirche.

45. Es wird noch erforderlich sein, die Frage nach der Rolle des Bischofs von Rom in der Communio aller Kirchen in größerer Tiefe zu studieren. Was ist die besondere Funktion des Bischofs des „ersten Sitzes“ in einer Ekklesiologie der koinonia und im Hinblick darauf, was wir über Konziliarität und Autorität in diesem Text gesagt haben? Wie sollte die Lehre des Ersten und des Zweiten Vatikanischen Konzils über den universalen Primat verstanden und gelebt werden angesichts der kirchlichen Praxis des ersten Jahrtausends? Das sind entscheidende Fragen für unseren Dialog und für unsere Hoffnung, die volle Communio zwischen uns wiederherzustellen.

46. Wir, die Mitglieder der Gemeinsamen Internationalen Kommission für den theologischen Dialog zwischen der Römisch-katholischen Kirche und der Orthodoxen Kirche, sind überzeugt, dass die obige Darlegung über kirchliche Communio, Konziliarität und Autorität einen positiven und bedeutsamen Fortschritt in unserem Dialog darstellt und eine feste Basis für künftige Diskussion über die Frage des Primats auf der universalen Ebene der Kirche liefert. Wir sind uns bewusst, dass noch viele schwierige Fragen zu klären sind, wir hoffen aber, dass wir gestützt durch das Gebet Jesu „Dass alle eins seien ... damit die Welt glaube“ (Joh 17,21) und im Gehorsam gegenüber dem Heiligen Geist auf der schon erreichten Übereinstimmung aufbauen können. Nochmals bekräftigen und bekennen wir „einen Herrn, einen Glauben, eine Taufe“ (Eph 4,5) und wir ehren den, der uns zusammen versammelt hat, Gott, die Heilige Trinität, den Vater, Sohn und Heiligen Geist.

Ekklesiologische und kanonische Konsequenzen der sakramentalen Natur der Kirche: Kirchliche Communio, Konziliarität und Autorität